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Ken Park

Larry Clarks drastisches Bildnis einer irritierten Jugend

Es geht los mit einem Grinsen. Und einem Schuß. Apathisch lächelnd pustet sich der titelgebende Junge Ken das Hirn weg. Daß er größerem Ärger damit aus dem Weg geht, erzählt uns Larry Clark in diesem verstörenden, amoralischen, aber verblüffend authentischen Teenager-Klagelied erst kurz vor Schluß. Hier zeigt sich mal wieder, daß Clark keiner ist, der lange fackelt, der aus Angst vor gesellschaftlicher Anstößigkeit nach metaphorischen Schlängelwegen sucht. Er erzählt gerade weg vom Geburtsort des Hasses, der Wiege von Teenkillern, dem Hort adoleszenter Urängste in der amerikanischen Provinz. Dabei hält Clark manchmal einfach nur drauf.

So sehen wir, wie der junge Shawn zum sexuellen Spielzeug der Mutter seiner Freundin wird, wie Peaches nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem religiös fanatischen Vater das Leben zur Hölle gemacht wird, wie der Junge Claude am Selbsthaß seines saufenden, kujonierenden Erzeugers beinahe zerbricht, und schließlich - die wahrscheinlich traurigste Figur in diesem Abgesang auf familiäre Harmonie - Tate, der in cholerischer Aggression seine umsorgenden Großeltern ersticht. Clark läßt ihn vorher in Anwesenheit der laufenden Kamera sich selbst strangulierend einen runterholen.

Natürlich werden sich selbsternannte Moralpolizisten wieder mal empfindlich getroffen aufbäumen und in die alte Jammerei von Voyeurismus, Pornographie und dem kalkulierten Schock ausbrechen. Lassen wir sie einfach in der ignoranten Hoffnung, daß auch in Zukunft die authentischen Sorgen, die schmerzhaften Erfahrungen und die unlösbaren Probleme anderer eben für sie non-existent, da nicht die eigenen bleiben. Allen anderen sei dieser Film aber empfohlen, weil es ein ehrliches Werk über Ausweglosigkeit, Langeweile, Sackgassenfamilien aber auch Freundschaft ist.

Denn trotz der sicherlich sehr drastisch und von mir aus auch pornographisch (Wo ist da jetzt eigentlich noch mal das Problem?) verfaßten Bestandsaufnahme, gibt es am Ende so etwas wie Hoffnung: die gehirnamputierten Väter, die in ihren Söhnen nur noch unverweichlichte Siegertypen sehen wollen, diese egomanischen Loser, die wegen ihrer eigenen Mickrigkeit ihre Töchter erniedrigen und mißbrauchen, schaffen es hier gottlob nicht, die jungen Seelen vollends zu vergiften.

Daß die Teens am Ende gemeinsam von einem Land namens Utopia träumen, in dem die Menschen vor allem deswegen sorglos und steinalt werden, weil sie mindestens 15, 16 mal am Tag Sex haben, ist an sich eine recht amüsante Vorstellung. Traurig stimmt da bloß, daß es oft bei diesem einzigen Traum bleibt.

Originaltitel: KEN PARK

USA 2002, 90 min
Verleih: Independent Partners

Genre: Drama, Teenie

Darsteller: James Bullard, Tiffany Limos, Amanda Plummer

Regie: Larry Clark, Ed Lachmann

Kinostart: 22.07.04

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.