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Lola (2001)

... versunken im Strudel der Identitäten

Es gibt ja Namen, mit denen man spontan ein Persönlichkeitsbild assoziiert. Wem schwebt beim sinnliche Zungenschläge auslösenden "Lola" nicht die Inkarnation der verruchten, knapp gewandeten weiblichen Verführung vor (diversen mehr oder weniger geglückten cineastischen Ergüssen, vor allem jedoch der Dietrich als BLAUER ENGEL, sei Dank)?

Unsere Heldin dagegen kann diesbezügliche Erwartungen gar nicht erfüllen. Wenngleich durchaus hübsch, handelt sich’s eher um eine graumäusige Vertreterin ihres Geschlechts, herzergreifend schusselig, seitens des Ehemannes Mike mehr geduldet denn geliebt und überaus zweiflerisch. Irgendwann rettet sie einer Unbekannten das Leben. Diese stellt sich als Sandra vor, ist überschwenglich dankbar und Lolas komplettes Gegenteil: direkt, sehr attraktiv, absolut selbstsicher.

Zwischen den Frauen wächst Freundschaft; bald erfährt Lola Sandras Geheimnis: Sie wurde als Kind vom jüngst verblichenen Vater mißbraucht und möchte nun zur Aufarbeitung nach langen Jahren ohne Kontakt die Mutter besuchen, was ein Angriff mit Todesfolge indes verhindert. Schuldgefühle plagen Lola, die zudem endlich der Sinnlosigkeit ihrer Existenz gewahr wird. Also wagt sie einen Ausbruch, verläßt Mike, begibt sich, gekleidet wie Sandra, auf den Weg zu deren Mama und nimmt dabei immer mehr der Verstorbenen Identität an.

Durfte man bis dato ein fesselndes Sozialdrama sehen, läuft es jetzt gen Nirgendwo. Lola befindet sich auf vielfältiger Suche, logisch, aber wieso muß das zu oft verdeutlicht werden, indem sie einfach so durch die malerische Botanik stiefelt? Noch problematischer freilich, daß nuanciertes Spiel keine Sache der ohne starken Gegenpart allein handlungstragenden Hauptdarstellerin Sabrina Grdevich ist, welcher man die schleichende Wandlung schlicht nicht abnimmt (da ihre einzige Illustration selbiger darin besteht, finstere Blicke aus nun düster geschminkten Augen zu verteilen). Unmotiviert auch von Regisseur Bessai eingesetzte visuelle Spielchen mit wahlweise Zeitraffer oder -lupe.

Traurig allemal, schließlich hätte das in dieser Form nur mäßig packende Figuren-Konglomerat eine wirklich große Charakterstudie sein können.

Originaltitel: LOLA

Kanada 2001, 97 min
Verleih: Kinemathek

Genre: Drama

Darsteller: Sabrina Grdevich, Colm Feore, Joanna Going, Janet Wright, Ian Tracey

Stab:
Regie: Carl Bessai
Drehbuch: Carl Bessai

Kinostart: 15.05.03

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...