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Lost And Found

Großformatige Kurzfilme aus Osteuropa

Gute Kurzfilme haben viel zu erzählen. Ob ihres Formates, welches hier die Kürze meint, werden sie dennoch oft unterschätzt. Ein aktuelles Projekt osteuropäischen jungen Filmschaffens, fünf Beiträge, umklammert von einem Weiteren, bietet nun erneut Gelegenheit, den Kurzfilm zu entdecken. Der Titel LOST AND FOUND bezieht sich auf die gemeinsame Erfahrung des Verlorenen und Wiedererlangten in den Herkunftsländern der Regisseure. Daß der politische und gesellschaftliche Umbruch auch einen Bruch zwischen den Generationen markiert, ist das Thema dieser Spurensuche. Sehr verschieden ist die Herangehensweise der Filmemacher: Für den bulgarischen Beitrag DAS RITUAL entwickelte Nadejda Koseva ein Schnittkonzept, dem Überlegungen zur Überwindung von Zeit und Raum zu Grunde liegen. Der Ungar Kornél Mundruczó erzählt mit EIN KURZER MOMENT DER STILLE eine in Stil und Inhalt dunkle und beklemmende Geschichte, in der sich Bruder und Schwester der Vergangenheit stellen müssen.

Der rumänische Beitrag von Cristian Mungiu greift auf märchenhafte Motive zurück: In DAS MÄDCHEN UND DER TRUTHAHN erscheint ein gerade geschlachteter Vogel plötzlich wieder auf der Bildfläche. Ebenso märchenhaft, aber auch komisch die Handschrift des Serben Stefan Arsenijevic, der mit seiner WUNDERBAREN VERA eine Straßenbahnschaffnerin porträtiert, die endlich selbst das Steuer übernimmt. Der dokumentarische Kurzfilm GEBURTSTAG, ein Beitrag aus Bosnien-Herzegowina, stellt zwei Mädchen vor, die am 9. November 1993 in Mostar geboren wurden, an dem Tag, als die berühmte alte Brücke zerstört wurde. Dunja und Ines, in den getrennten Stadtteilen aufgewachsen, sind sich noch nie begegnet, und vom Krieg weiß ihre Generation nur unbewußt.

GENE+RATIO von Mait Laas aus Estland schließlich fungiert als Klammerfilm und bedient sich verschiedener Animationstechniken. In einer ersten Szene gerät hier, in einem Laboratorium, das sprichwörtliche Faß zum Überlaufen, eine Versuchsreihe scheitert. Was folgt ist eine lange Durststrecke, die hinführt zu Neuem, zu einer (Wieder-)Geburt. Die Rückbesinnung auf die Symbolkraft im Film findet hier einen pointierten letzten Ausdruck, ebenso das Prinzip Hoffnung.

Originaltitel: LOST AND FOUND

2005, 99 min
Verleih: KurzFilmAgentur

Genre: Episodenfilm, Kurzfilm

Darsteller: Svetlana Yancheva, Krassimir Dokov, Ana Ularu u.v.a

Regie: Stefan Arsenijevic, Nadejda Koseva, Mait Laas, Kornél Mundruczó, Cristian Mungiu, Jasmila Zbanic

Kinostart: 12.01.06

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.