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Stolperstein

Ein Künstler, sein Projekt und der Zeitgeist

Bekannt ist es schon, das größte dezentrale Denkmal und Kunstprojekt der Welt. Seit nunmehr acht Jahren läßt der Kölner Künstler Gunter Demnig Steine mit Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir ein und markiert auf diese Weise den letzten selbst gewählten Wohnort von Opfern der NS-Zeit, um an diese zu erinnern. Mehr als 12.000 dieser mit Namen versehenen Steine waren Ende 2007 in nahezu 300 Orten hierzulande verlegt, erste Steine liegen in Österreich und Ungarn.

Dörte Franke dokumentiert dieses Projekt und porträtiert den Initiator. Sie folgt ihrem rastlosen Protagonisten durch einen Alltag, der bestimmt ist von einer modernen Sisyphusarbeit. Sie erlangt Einblick in das Projekt und fängt die unterschiedlichen Reaktionen darauf ein - so bei den Verlegarbeiten an verschiedenen Orten. Diese Straßenszenen, sei es beim Einlassen der Steine in den Boden oder bei Einweihungen dieser Kleinstdenkmäler, zeigen spontane Reaktionen und spiegeln zugleich ein stückweit die bundesrepublikanische Geistesverfassung. Kaum überraschend ist, daß die NPD das Projekt bekämpft und Rufe nach "Steinen für die deutschen Opfer" laut werden. Andernorts sieht sich Demnig mit der Frage nach den anfallenden Kosten oder dem Vorwurf der Verkehrsbehinderung konfrontiert, es gibt Städte, welche die Verlegung der Steine ohne Begründung verbieten und wieder andere, wo sich ältere Frauen daran machen, das Messing zu polieren, um so die "Schuld ihrer Väter abzutragen".

Das Projekt spaltet aber auch die Jüdische Gemeinde, innerhalb derer einige Vertreter von "Entehrung" der Opfer sprechen. Demnig durchmißt dieses Spiegelkabinett an Überzeugungen und Emotionen mit der Sicherheit eines Menschen, der sich seines Tun und der Unterstützung zahlreicher Helfer und privater Spender gewiß ist. In den wenigen Momenten der Rast, so bei Interviews in seiner Werkstatt, gelingt es Franke aber auch, etwas anderes festzuhalten.

So muß sich Demnig inzwischen fragen, ob er an seinem ursprünglichen Konzept festhalten kann. Jeden einzelnen Stein in Handarbeit zu fertigen und zu verlegen, ist zunehmend nicht nur ein logistisches Problem. Die "Nachfrage" nach Stolpersteinen steigt.

D 2007, 73 min
Verleih: Film Kino Text

Genre: Dokumentation, Historie

Stab:
Regie: Dörte Franke
Drehbuch: Dörte Franke

Kinostart: 04.12.08

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.