D 2022, 109 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal

Genre: Drama, Fantasy, Literaturverfilmung

Darsteller: Luna Wedler, Corinna Harfouch, Karl Markovics, Rosalie Thomass

Regie: Aron Lehmann

Kinostart: 29.12.22

3 Bewertungen

Was man von hier aus sehen kann

Der Tod ist ein Meister im Westerwald

In den letzten Jahren geschah es, daß man sich immer häufiger erschrak, nämlich dann, wenn mal wieder aufploppte: „Nach einem Bestseller!“ Man attestierte sich selbst schnell Banausentum, eben genau dieses, sich scheinbar -zigfach verkaufte Buch wieder nicht gelesen zu haben, beruhigte sich aber auch rasch wieder, denn es gibt so viele Bücher. Und so viele Filme. Auch zu viele Bücher und zu viele Filme.

Der hier nun, eben nach einer sehr erfolgreichen Buchvorlage, ist nicht zu viel, keinesfalls, aber ganz komplikationslos scheint die Übertragung vom Papier auf (so sagte man früher) Zelluloid nicht vonstatten gegangen zu sein, es raschelt bisweilen. Doch erst einmal geht es um den Tod. Der gehört ja bekanntermaßen zum Leben, nur gibt es in diesem kleinen Dorf im Westerwald irgendwie zu viel davon, also vom Tod, nicht vom Leben. Das ist eher beschaulich, postkartenidyllisch zwischen Blumenstand, Eis-Salon und Bücherladen.

Der Tod isses, der zu häufig vorbeischaut, vor allem dann, wenn Selma von einem Okapi träumt. Kurz darauf fällt jemand vom Rad, aus dem fahrenden Zug, ein Blumentopf kracht auf einen empfindsamen Kopf, ein anderer zerplatzt durch Schrot, ein Herz bleibt stehen, ein Blitz erschlägt den Postboten. Seit jungen Jahren, als Selma mit dem Entenbraten durch den Stubenboden krachte, hat sie diese Gabe. Viele Jahre später verfügt auch Luise, Selmas eigenbrötlerische Enkelin, über Fähigkeiten mit Konsequenzen, sie darf niemandem in die Augen schauen. Was zunehmend schwerer fällt, als ein buddhistischer Mönch (aus Hessen!) davon zwei sehr schöne hat ...

Mancher Zeitsprung mag irritieren, der Erzähler aus dem Off dürfte häufiger mal schweigen, aber die Figuren sind es, die einen schnell einnehmen. Jeder scheint ein Geheimnis zu hüten, von lustvollen Liebeleien, vom Kummeralkohol, den nur der Glauben verjagen kann, von niemals abgeschickten, prosaisch verfaßten Liebesbriefen bis hin zur unbändigen Wut, die der Dorfschönen Marlies ein böses Gesicht verleiht.

Der Blick in den dörflichen Kosmos, der kaum Privatheit kennt, ist generell stimmig, das Spinnerte paßt gut, nur in manchem Moment wirkt, was phantasievoll und philosophisch sein will, dann doch eher angestrengt. Da wünscht man sich, die Macher hätten auf eine der Figuren gehört: „Ihr müßt die Welt reinlassen!“

Wenn aber zum Schluß das Rascheln von (Dreh-)Buchseiten dem Knistern handgeschriebener Briefe weicht, dann erwischt es einen total: „Liebe Selma ...“

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.