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4 Tage im Mai

Drama mit humanistischem Impetus

Die Vorgeschichte ist interessant: 2005 berichtete in einer Radiosendung ein Historiker von einem erstaunlichen Vorfall am letzten Tag des Zweiten Weltkrieges. Eine Gruppe russischer Soldaten habe da mit Waffengewalt deutsche Waisenkinder vor den Übergriffen siegestrunkener Kameraden geschützt. Und das aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Unterstützung von Wehrmachstangehörigen. Besagte Radiosendung hörte auch der russische Schauspieler Aleksei Guskov (DAS KONZERT). Und was er hörte, beschäftigte ihn nachhaltig genug, um, als er zwei Jahre später den Regisseur Achim von Borries kennenlernte, diesem davon zu erzählen. Der Beginn einer gemeinsamen Arbeit, deren Resultat jetzt 4 TAGE IM MAI ist.

Die titelgebenden vier Tage sind die letzten vor dem Ende des Krieges. Der scheint wie erschöpft, wie ausgerast. Passend, daß der Film in einer bukolischen Ostsee-Idylle aus Einsamkeit und Stille beginnt. Hier, wo inmitten der Natur ein Kinderheim steht, in dem ein achtköpfiger Spähtrupp der sowjetischen Armee Quartier nimmt. Die resolute Heimleiterin, die ihre Schützlinge wohlbehalten durch die Kriegswirren brachte, behält auch jetzt Nerven und Würde. Allerdings schwirrt im Kopf ihres Neffen Peter, einer 13jährigen Waise, noch verhängnisvoll der Blödsinn von deutscher Ehre, die Treue heißt. Als am Strand eine zermürbte Wehrmachtseinheit ihr Lager aufschlägt, hält Peter seine Zeit für Heldentaten gekommen. Doch des Kämpfens müde sind Deutsche wie Russen. Und Peter wird einige, auch bittere, Lektionen lernen. Zum väterlichen Lehrer entwickelt sich dabei ausgerechnet ein Feind – der sowjetische Hauptmann.

Man könnte durchaus einiges gegen 4 TAGE IM MAI ins Feld führen. Den zu gravitätischen Blick, manch zu schlaff gespannten Handlungsstrang, die zu schablonenhafte Figurenzeichnung oder die zu offensichtliche Intention, ob der diese Geschichte aufbereitet wird. Alles richtig – und doch hat von Borries’ Film einiges, was fesselt. Neben guten Schauspielern vor allem diese eigentümliche Atmosphäre einer fragilen Fast-schon-Frieden-Stimmung, in der sich die Handlung entspinnt.

Und vielleicht ist zudem diese eine Schwäche (die zu offensichtliche Intention) gleichzeitig eine Stärke: der bei aller finalen Tragik optimistische Grundton, der unbedingte Glaube an Menschlichkeit und Vernunft. Eher nicht sehr zeitgemäß – weshalb der Film hiermit empfohlen sei.

D 2011, 97 min
FSK 12
Verleih: X Verleih

Genre: Drama, Erwachsenwerden, Historie

Darsteller: Pavel Wenzel, Aleksei Guskov, Angelina Häntsch, Martin Brambach

Regie: Achim von Borries

Kinostart: 13.10.11

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.