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5 Jahre Leben

Was nicht sein kann

Selbst wenn dies immer den Ruch intellektuellen Größenwahns verbreitet, sei diesmal ein Zitat vorangestellt. Es stammt von Michel de Montaigne, trägt über vier Jahrhunderte herum, hat aber seine Wahrheit nicht verloren: „Ein Verzicht auf das Wirken ist unter Umständen ebenso verdienstlich wie das Wirken selbst.“ Und es gilt leider auch zumindest im Groben für das hier zur Rezension stehende Werk.

Jenes thematisiert den Fall Murat Kurnaz’, fünf höllische Jahre als Gefangener der USA in Afghanistan und Guantanamo inhaftiert. Anklage: Terrorismus. 1725 Tage Martyrium, vorliegende Aufarbeitung beschränkt sich auf 457 davon. Dennoch: Zu viel für 96 Minuten, zu komprimiert, noch dazu zerfasert die wenige Zeit innerhalb eher verzichtbarer Rückblenden, welche tiefgründig das Leben vorher beleuchten wollen. Mit mäßigem Erfolg. Und wie gelingt das Psychogramm eines Menschen im puren Überlebenskampf?

Das Bemühen um reale Charakterzeichnung tritt ebenso deutlich heran wie der spürbare Verzicht auf spekulative Sensationsmache, unterstützt durch einen beeindruckend intensiven Hauptdarsteller. Etwas schwächer, doch durchaus ähnlich sein Gegenspieler – ein amerikanischer Regierungsvertreter, angeblich aus Hilfegründen anwesend, wahrhaftig allerdings manipulativ bis hin zur Menschenfeindlichkeit. Das sukzessiv freigelegte Duell geht in Mark und Hirn, reißt Wunden auf und sicher geglaubte Barrikaden der Humanität nieder. Es verhindert indes nicht, daß gleichzeitig Hintergründe bloß kurz gestreift, Stationen alleinig abgehakt werden. Permanent gehetzt reiht das Skript außerdem wohl automatisch Nebenfiguren am Rande des Klischees aneinander (der eigentlich gutherzige Wärter, ein zwangsweise verräterischer Mithäftling) und fokussiert auf längst leerverhandelte Situationen – natürlich wohnen wir Kurnaz’ ausgedehntem Hungerstreik bei, klar gibt’s eine erniedrigende Duschszene. Et cetera.

Damit stellt sich diese schlaglichtartige Aufarbeitung jeder unverleugneten Ambition zum Trotz letztlich in eine unverdiente Ecke, nicht weit entfernt vom kürzlich ertragenen 3096 TAGE. Der bessere Film in Sachen Anspruch sowie Kompetenz ist 5 JAHRE LEBEN zwar definitiv, doch scheitert er, und da bricht eine Gemeinsamkeit auf, an der reinen Unmöglichkeit. Er bleibt weitgehend ein Kunststück, im Sinne von „Stück der Kunst.“ Was dem Sujet nicht genügen kann.

D/F 2013, 96 min
FSK 12
Verleih: Zorro

Genre: Drama, Biographie, Polit

Darsteller: Sascha Alexander Geršak, Ben Miles, Trystan Pütter, John Keogh

Stab:
Regie: Stefan Schaller
Drehbuch: Stefan Schaller

Kinostart: 30.05.13

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...