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Abgedreht

Filme mit Herz statt Kommerz

Eine trostlose Community am Rande von New York: die einzige Legende, die hier geboren wurde, ist der Jazzpianist Fats Waller. Behauptet zumindest der Waller-Fan Mr. Fletcher. Angeblich ist seine kleine, abrißreife Videothek sogar in Wallers Geburtshaus untergebracht. Ob das nun stimmt oder nicht, sein Angestellter Mike glaubt ihm aufs Wort und verspricht treuherzig, den nicht gerade rosig laufenden Laden, der noch nicht im DVD-Zeitalter angekommen ist, in Fletchers Abwesenheit zu hüten. Er hat auch die Auflage, seinen Kumpel Mike, Rolle: Elefant im Porzellanladen, nicht einzulassen, der im Wohnwagen gegenüber haust und sich beim Versuch, das benachbarte Kraftwerk zu sabotieren, elektromagnetisch aufgeladen hat. So stark, daß er dank seiner neuartigen Ausstrahlung im Laden sämtliche Kassetten löscht. Das Ende für die nostalgische Videothek?

Nein, der Anfang. Eigentlich ist die Geschichte bis dahin ja schon kurios genug, aber gerade erst der Auftakt zu dieser ansteckenden Komödie, die eindeutig das Zeug zum Publikumsrenner hat, gewissermaßen bei Jung und Alt, Schwarz und Weiß, Mainstream- und Art-hausfreunden. Dabei ist alles so simpel. Aber genau das ist die unwiderstehliche Idee. Die Jungs sind nämlich nicht auf den Kopf gefallen - oder eben doch - und drehen den ersten Kundenwunsch nach ihrer Stunde Null kurzerhand selber nach. Das Ergebnis: ein Remake von GHOSTBUSTERS, das zwar billig, aber keine billige Kopie ist, sondern Trash im besten Sinne. In Pappmascheekostümen und haarsträubenden Perücken geht es weiter mit ROBOCOP oder MISS DAISY UND IHR CHAUFFEUR. Was aus der Not geboren wurde, ist bald ein Markenzeichen: "Unsere Vision ist besser. Sie dauert nur 20 Minuten." Das Kino kehrt in den Hinterhof ein. Und als die Behörden dem Spuk ein Ende bereiten wollen, nimmt schließlich die ganze Community kreativen Anteil und erhebt (ausgerechnet) Fats Waller zum Vorbild. Solidarität statt Bandenkrieg, eine schöne Utopie.

Nach Filmen wie VERGISS MEIN NICHT! und SCIENCE OF SLEEP hat Michel Gondry einen wunderbar warmherzigen und großzügig albernen Buddy-Film abgedreht, in dem er das wahre (Home-)Kino feiert und zumindest für einige magische Momente vom Kommerzdiktat befreit.

Originaltitel: BE KIND REWIND

USA 2008, 98 min
Verleih: Senator

Genre: Komödie, Schräg

Darsteller: Jack Black, Mos Def, Danny Glover, Mia Farrow, Melonie Diaz

Regie: Michel Gondry

Kinostart: 03.04.08

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...