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Von Zweien, die sich verschwenden

Die passen schon auf den ersten oberflächlichen Blick nicht zueinander. Sie – entspannt, auch sexy, selbstbewußt, eine, die das Leben nimmt, wie es sich bietet, und die noch immer was daraus macht. Er – scheinbar ein Grübler, der ständig hadert, der sie vollquatscht, ob er nun männlich ist oder nicht, der auch optisch nicht viel hermacht, der zu seinem dünner werdenden Haar nicht steht. Die passen wirklich nicht zusammen.

Für diese Erkenntnis braucht Maren Ade dann knapp zwei Stunden, sehr viel Zeit, um dieses marode Bündnis zu filetieren – in schöner Kulisse allerdings, auf einer Ferieninsel. Im Urlaub sind die beiden, wo man oft und nahe beieinander hockt, wo man so richtig Gelegenheit bekommt, sich systematisch zu zerfleischen. Genau diese Chance nutzen Gitti und Chris. Schade nur, daß Maren Ade sich nicht am ROSENKRIEG oder anderen Fetzerfilmen orientiert. Warum tut sie das nicht? Vielleicht weil es das Ungleichgewicht der Figuren nicht erlaubt. Damit fehlt dem Ganzen aber auch schon die Würze, und deshalb stürzt sich Ade viel lieber in „Wortgefechte“, in denen alles ausdiskutiert, in denen jeder Hauch von Gefühl (ich sage jetzt mal bewußt nicht „Liebe“) zerredet wird, in denen man sich peinlich-papierene Fragen wie „Haßt Du mich?“ oder „Bist Du traurig?“ stellt, in denen also Elementares einfach so zerlabert wird. Hier verschwenden sich zwei Menschen. Man möchte dem phlegmatischen Schnösel und der liebes- und erlebnishungrigen Furie bald zurufen: „Quatscht nicht! Macht! Zeigt! Tut!“

Paarespsychologischen Untertönen scheint Ade zu mißtrauen, ihr genügen keine Blicke, keine Gesten – sie stützt sich auf sattes, müdes – und mit Verlaub – irgendwie sehr westdeutsch anmutendes Wohlstandsgesabbel. Und damit wird ihre Paaresstudie zum exakten Gegenstück eines Andreas-Dresen-Kino, das zum Beispiel mit HALBE TREPPE so behutsam von Empfindungen, von Trennendem, vom Rest an Gemeinsamen in einer bankrotten Beziehung zu erzählen wußte. Vielleicht sieht man Gitti und Chris in diesem unschönen Licht, weil sie einfach zu volle Bäuche haben, weil sie verwöhnt sind. Da das Ferienhaus von Mama, hier die freigestalterische Arbeit. Zwei Menschen, die nie erwachsen geworden sind, zernagen sich an ihrer Selbstgefälligkeit.

Und dennoch gibt es da immer mal wieder diesen Moment, wo man hofft, Ade würde mit dem Zuschauer spielen, die Geschichte drehen, zum Beispiel, wenn Gitti von Chris an den Kopf geworfen bekommt, daß sie so peinlich sei. Ein Knockoutsatz, eine Steilvorlage, um die Geschichte und das Paar aus der Lethargie zu katapultieren. Aber Ade hatte anderes im Sinn. Was genau, bleibt verborgen, weil der Film einfach so weitergeht. Da hilft auch Gittis „Tod“ dramaturgisch nur ganz kurz über all die Müdigkeitserscheinungen – in der Beziehung eines Paares, in der Aufmerksamkeit des Betrachters. Und dann ist irgendwann und irgendwie Schluß. Gott sei Dank. Und trotzdem schade – um die Leistungen der Schauspieler, um die liebe Zeit und um die Reisekosten.

D 2008, 119 min
FSK 12
Verleih: Prokino

Genre: Drama

Darsteller: Birgit Minichmayr, Lars Eidinger

Regie: Maren Ade

Kinostart: 18.06.09

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.