D 2022, 89 min
FSK 12
Verleih: Grandfilm

Genre: Drama

Darsteller: Anne Schäfer, Anne-Kathrin Gummich, Marcel Kohlert, Max Riemelt, Sandra Hüller, Ronald Zehrfeld

Regie: Annika Pinske

Kinostart: 15.09.22

5 Bewertungen

Alle reden übers Wetter

Voraussichtlich anhaltende Niederschläge

Mama Inge ruft unangekündigt aus der brandenburgischen Provinz an: „Sach ma, regnet det bei Euch?“ Die Tochter blickt pflichtbewußt aus dem Fenster ihres Berliner Universitätsbüros und antwortet sachgemäß: „Ja, weiß nich, gleich, vielleicht kommt was.“ Daß beide Frauen kein besonderes Interesse an Meteorologie umtreibt, daß sie sich – unausgesprochen – auf das Wetter als kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt haben, hört man dem routinierten Telefonat an. In diesem Fernmeldedialog ist kein Groll, sondern nur das Grollen eines Gewitters, das sich wohl nie so richtig entladen wird.

Annika Pinskes erster abendfüllender Spielfilm, zugleich ihre Abschlußarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, überrascht. Nicht, weil man ihr nach preisgekrönten und vielbeachteten Kurzfilmen nicht etwa Größeres, Weiteres, Höheres zugetraut hätte. Aber einer jungen Regisseurin dabei zuzuschauen, wie sie treffsicher vom Blitzen und Donnern zwischen Töchtern und Müttern, zwischen aufsteigenden Ossis und sich herablassenden Wessis, zwischen Herkunft und Zukunft erzählt, wie sie das große Drama meidet, um Raum für die miesen kleinen Verzweiflungen zu lassen – das widerfährt einem nicht alle Tage. Pinske gab ihrer Protagonistin den Namen Clara: Oh, wie vergiftet ist diese Mitgift für eine, die um Klarheit ringt! Sie hat ihr eine Biographie mit Haupt- und Nebengeschichten erfunden, ein poststudentisches WG-Zuhause im schick-schäbigen Berlin, eine halbwüchsige Tochter, die beim Kindsvater lebt, ein paar Männer fürs Bett und ein paar hochfliegende akademische Ambitionen für unters Kopfkissen: Oho, det feine Frollein macht den Dokter in Philosophie!

Wo dieser Film hinwill? In den Verstand? In den Bauch? Ins Ohr? Eigentlich muß er gar nicht viel weiter als in die nächste Szene, in die nächste niederschlagende kommunikative Fehlleistung. Am Berliner Institut, wo sich alle duzen, fragt ein Herr Professor von Brandis: „Und Ihre Eltern, sind die auch aus dem Metier?“ Zu Mamas Sechzigstem heißt es: Streusel-Kirsch oder Quark-Mandarine? Aber wozu, verflucht noch mal, hat Clara ein Auto, wenn sie das mit der sozialen Mobilität nicht auf die Reihe kriegt?! Ach ja, das Wetter. Es schlägt Kapriolen, sogar auf dem Soundtrack. Mit dem Puhdys-Hit „Niemand wird so wieder werden“ setzt Niesel ein. Mit Rage Against The Machine beginnt der Platzregen.

[ Sylvia Görke ]