D/I 2017, 97 min
FSK 6
Verleih: Farbfilm

Genre: Abenteuer, Kinderfilm

Darsteller: Mia Kasalo, Samuel Girardi, Susanne Bormann, Denis Moschitto, Jasmin Tabatabai

Regie: Tobias Wiemann

Kinostart: 21.09.17

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Amelie rennt

Ein Mädchen klettert sich frei

Sie rennt nicht quer durch die Stadt, um Geld zu besorgen, so wie Lola damals. Sie trägt auch keine roten Haare oder bauchfreie Trägershirts. Amelie rennt weg. Weg von ihrer Familie, weg von ihrer Krankheit, weg von ihrem Leben in Berlin. Amelie hat Asthma. Da helfen kein gutes Zureden, kein Yoga und auch keine Therapiestunden. Jeder Anfall könnte mit dem Tod enden. Asthma ist eine Krankheit, mit der man leben kann, wenn man sie akzeptiert. Amelie aber will von Akzeptanz nichts wissen. Sie ist 13 Jahre alt. Sie rebelliert. Gegen ihre Eltern, die sie in eine Lungenklinik in den Südtiroler Bergen stecken wollen, gegen ihre Freunde, denen sie ausschließlich Mitleid unterstellt, und gegen die Ärzte, die ihr sowieso nicht helfen können.

In die Lungenklinik muß sie dann doch, haut aber gleich wieder ab. Auf ihrer Flucht trifft Amelie Bart. Der rothaarige Junge ist ein Landei, melkt Kühe und hat vom Großstadtleben keine Ahnung. Er folgt Amelie in die Berge. Dabei ist der Ton, der zwischen den beiden herrscht, anfänglich ziemlich rauh, ein ständiges Kräftemessen. Im Laufe der Zeit nähern sich die beiden an. Eine fast unbemerkte zärtliche Verbindung entsteht.

AMELIE RENNT erzählt von jener ersten zarten, platonischen Liebe. Überzeugend sind dabei die beiden Hauptdarsteller. Mia Kasalo als Amelie ist ständig auf Krawall gebürstet. Sie beschießt ihre Umwelt mit spitzen, harten Worten. Über die Jahre hat sie eine Mauer um sich errichtet, die sie gegen Mitleid schützt und die eigene Angst versteckt. Samuel Girardi als Bart hingegen ist offen und herzerwärmend, einen Tick zu verantwortungsbewußt für einen Teenager. Er spielt glaubhaft den großen Beschützer, der selbst Schutz sucht. Einige andere Charaktere im Film hingehen werden ziemlich überspitzt dargestellt: die hypernervöse Mutter zum Beispiel oder die dicke, nervige Zimmernachbarin. Das ist überflüssig und schade und macht es unmöglich, sich den Nebendarstellern zu nähern.

Gut ist, daß der zweite Teil des Films dann ausschließlich in den Bergen spielt. Unwetter und Kälte schweißen Amelie und Bart zusammen. Sie übersteigen ihre eigenen Kräfte, am Ende hat Amelie eine Wandlung durchgemacht, die es zuläßt, die Traurigkeit ihrer Situation anzunehmen. Gleichzeitig kann sie die Schönheit der Welt erkennen, die sich dann zeigt, wenn zwei Menschen ihren Blick in dieselbe Richtung lenken.

[ Claudia Euen ]