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Behauptung des Raums – Wege unabhängiger Ausstellungskultur in der DDR

Von geistiger Autonomie und der Qualität des Erinnerns

Als Judy (Gerd Harry) Lybke 1983 seine Wohnung am Körnerplatz 8 für einen zunächst kleinen Kreis Eingeweihter öffnet, um darin Arbeiten ihm bekannter und befreundeter Künstler auszustellen, wird die Leipziger Szene schnell aufmerksam. Die Wohnung ist bald zu klein für den Andrang Interessierter, und 1985 sucht sich Lybke einen neuen Ort. In einem Connewitzer Hinterhof-Gebäude stellt er fortan aus – etablierte Namen und noch sehr junge, unbekannte Künstler, und die „Eigen+Art“, wie die später erfolgreiche und mehrmals umgesiedelte Galerie seitdem heißt, wird ein hoch frequentierter Raum des künstlerischen Austauschs abseits staatlicher Kontrolle.

Claus Löser, Jg. 1962, arbeitet seit langem am Thema der „Gegenbilder“, ist Gründer eines eigenen Filmarchivs und unter anderem als freier Autor und Programmgestalter tätig. Für seinen nun vorliegenden Film hat er Einblick genommen in bisher unveröffentlichtes Material, vor allem aus dem „Eigen+Art“-Archiv. Super-8- und Videoaufnahmen von Performances und Ausstellungen koppelt er auf einer aktuellen dokumentarischen Ebene mit Interviewszenen damals beteiligter Künstler und zeichnet auf diese Weise ein Bild der autonomen DDR-Kunstszene, innerhalb derer die Geschichte der „Eigen+Art“ nur ein (im historischen Kontext zumal später) Modellfall ist.

Die Gruppe „Clara Mosch“ (gegründet 1977), die Berliner Galerie „Arkade“, 1973 bis 1981 unter der Leitung von Klaus Werner, Pleinairs auf Hiddensee und Rügen, der 1. Leipziger Herbstsalon – Löser zeigt die verschiedenen, in den frühen 70ern einsetzenden Projekte und Initiativen als Wegbereiter einer Entwicklung, als Facetten eines Prozesses, der die spätere Behauptung von Freiräumen, eine unabhängige Ausstellungskultur, möglich machte.

Die nicht ganz ausgewogene Darstellung ist sicher nicht nur mit der diversen Verfügbarkeit von Material zu begründen. Sie verweist – gerade in den aktuellen Interviewszenen mit den Protagonisten wird dies deutlich – auf die unterschiedliche Qualität des Erinnerns. Sie ist mal analytisch, mal verklärend, mal distanziert und mal emotional. Dies zu beobachten und zu vergegenwärtigen, ist – neben der erzählten Geschichte – ein spannendes Moment des Films.

D 2009, 100 min
Verleih: Eigenverleih

Genre: Dokumentation

Regie: Claus Löser

Kinostart: 21.01.10

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.