Originaltitel: BEULOKEO

Südkorea/J 2022, 129 min
FSK 12
Verleih: Plaion

Genre: Drama

Darsteller: Song Kang-ho, Gang Dong-won, Bae Doona, Lee Ji-eun

Regie: Hirokazu Kore-eda

Kinostart: 16.03.23

4 Bewertungen

Broker

Kindeswohl und Gefährdung

Die Wäscherei heißt „Okay“, und okay ist auch, daß dort nicht nur gewaschen, geschleudert und gebügelt wird. In den Erdgeschoßräumen liegt schon mal ein Baby, brabbelt vor sich hin und macht in die Windel. Betreiber Sang-hyun wäscht dann eben Babysachen und hängt sie auf die Leine.

Die Säuglinge sind nur übergangsweise da. In der Babyklappe an einer Kirche im südkoreanischen Busan hängt eine Videokamera, damit man schnell handeln kann, besser: damit Sang-hyun und sein jüngerer Partner Dong-soo schnell handeln können. „Ich komme wieder“, steht manchmal auf einem Zettel, der im Päckchen mit den Kindern liegt. Die beiden Männer kennen solche Zettel zur Genüge. Er bedeutet, daß die Mütter garantiert nicht wiederkommen.

Auch So-young hat einen Zettel geschrieben, bevor sie mit ihrem Bündel durch die Nacht gelaufen ist. Ob sie zur Ausnahme wird und bald oder irgendwann den Akt aus Verzweiflung widerruft und sich ihren Jungen wiederholen will, weiß sie nicht. Was sie ebenfalls nicht weiß: Sie wird schon beobachtet. Die Polizei hegt Verdacht und will die Kinderhändler in flagranti erwischen. Denn die Wäscherei von Sang-hyun ist im Grunde ein Kinderumschlagsplatz. Hochgradig illegal, fürwahr, doch die beiden Broker haben auch hehre Pläne. Aus Gründen, die im Laufe des Films klar und klarer werden, wollen sie den Neugeborenen und Abgegebenen ein mutmaßlich besseres Leben in Familien gönnen, nicht eine Zukunft im Heim zumuten. Südkoreanische Gesetze besagen, daß „Klappenkinder“ nicht zur Adoption freigegeben werden dürfen. Also suchen Sang-hyun und Dong-soo gutsituierte Ehepaare, deren Nachwuchswunsch aus vielfältigen Gründen unerfüllt geblieben ist. Es ist auch ein Nebenverdienst, natürlich ist es das, gerade für jemand wie Sang-hyun.

Aus dieser Konstellation heraus entwickelt der Japaner Hirokazu Kore-eda in seinem ersten in Korea und auf Koreanisch gedrehten Film ein erstaunlich bedächtiges, mit entwaffnender Gelassenheit erzähltes Drama. Kein Geschrei, keine Hektik – auch das könnte schon verdächtig sein. Dafür jongliert der Regisseur von SHOPLIFTERS, LIKE FATHER, LIKE SON und NOBODY KNOWS mit einer in ihrer Ambivalenz, also komplex abgerufenen Menschlich- und Barmherzigkeit und dem großen Dilemma des Daseins, sehr erstaunlichen Geschichte. Die sogar Humor hat, und so richtig berührend ist sie auch noch, wenn man ihr Konstrukt einfach mal als Konstrukt zu nehmen imstande ist.

Bald sind sie zu dritt. Mutter So-young kommt tatsächlich zurück, und damit sind die Broker etwas überfordert. Sie tun, was zunächst ferner nicht liegen könnte: Sie nehmen So-young mit zu den Verkaufsgesprächen, die dann nicht sofort zu Ergebnissen führen. Daß beispielsweise einem Pärchen die „zu dünnen Augenbrauen“ des Babys stören, wo „es doch im Netz viel niedlicher ausgesehen“ hätte, ist ein erster Weckruf des Widerwillens. Den nächsten Bewerbern fahren sie mit geschickten Fragen zur Hormonbehandlung in die Parade, um zu entlarven, daß das Paar lügt. Kein Wunder, es ist ein Fake und wurde von der Polizei geschickt, die nicht lockerläßt. BROKER wird nach und nach zum Roadmovie mit kürzeren Distanzen. Das Trio wird zum Quartett, weil ein vielleicht 6jähriger Junge aus dem Heim abenteuerliche Abwechslung sucht und sich in Sang-hyuns klapprigem Van versteckt.

Hirokazu sieht BROKER als Gleichnis für einen brennenden Wunsch und eine Bitte. Bei den Recherchen hätte in ihm vor allem die Frage von Waisenkindern rumort, ob es gut war, daß sie überhaupt geboren worden seien. Hirokazu hätte seinen Film daraufhin eindeutiger machen können, unangreifbarer, weniger komplex. Damit aber wäre er einer Antwort auf die gestellte Frage nicht annähernd gerecht geworden.

Übrigens war zuletzt zu lesen, daß Park Chan-wooks DIE FRAU IM NEBEL „nach PARASITE der neue, großartige Thriller aus Korea” sei. So einfach, weil vereinnahmend, war es nie mit dem asiatischen Kino. Da ist BROKER hilfreicher, denn mit Song Kang-ho spielt hier wirklich der PARASITE-Vater eine Hauptrolle.

[ Andreas Körner ]