Originaltitel: TO CATCH A KILLER

USA 2023, 119 min
FSK 16
Verleih: Tobis

Genre: Psycho, Thriller

Darsteller: Shailene Woodley, Ben Mendelsohn, Jovan Adepo, Ralph Ineson

Regie: Damián Szifron

Kinostart: 05.10.23

4 Bewertungen

Catch The Killer

Auf der Müllhalde Amerikas

„Er ist nicht ein Typ, er ist eine Person“, stellt der verbitterte FBI-Agent Lammark fest. Zuvor gab es in Baltimore ein Blutbad am

Silvesterabend. Ein Scharfschütze hat aus sicherer Entfernung 29 Menschen auf einer High-Society-Dach-Party erschossen. Verbittert ist Lammark, weil es weder ein Motiv noch Spuren gibt und der Täter jederzeit wieder zuschlagen kann. Aber auch, weil er innerhalb des Systems FBI ständig an profilierungssüchtigen Vorgesetzten scheitert. Die einzige Spur, die er hat, ist eine einfache Polizistin, die am Tatort war und intuitiv den Täter zu verstehen scheint. Statt Erfahrung hat sie Einfühlungsvermögen.

Das ist der vielversprechende Ausgangspunkt einer Crime-Story, in der die Ermittler so gejagt erscheinen wie der Täter. Von Beginn an folgen wir der Polizistin Eleanor, der Shailene Woodley eine melancholisch-dunkle Ausstrahlung verleiht. Mit dem Killer, scheint es, teilt sie negative Erfahrungen. Allmählich zeichnet sich ab, er ist jemand, der durch alle sozialen Sicherheitsnetze gefallen und daran gescheitert ist, sich auf den Schwarzmärkten durchzuschlagen. Ein Nobody, der auch auf B. Travens „Totenschiff“ hätte anheuern können. Wie soll man so jemanden finden? Es ist nur konsequent, daß die Jagd, nachdem wir die Welt der Penthouses verlassen haben, über die Müllhalden und durch die Schlachthäuser der Stadt führt.

Der argentinische Regisseur Damián Szifron, der mit seinem satirischen Episodenfilm WILD TALES bekannt wurde, erzählt in seinem US-Debüt von den dunklen Seiten des Kapitalismus. Im Grunde genommen setzt er das Michael-Kohlhaas-Motiv aus den WILD TALES fort, diesen Rachegeschichten von Menschen, denen die Sicherung durchgebrannt ist. Doch statt Satire liefert er nun einen mustergültigen, spannungsgetriebenen Psychothriller. Von Schockern des Genres wie SIEBEN oder DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER hebt er sich jedoch angenehm ab. Der Killer straft zwar auch eine verkommene Gesellschaft, doch hat er kein Vergnügen dabei, sieht die Menschen eher wie Ameisen.

In Eleanor findet er eine Person, die er respektieren kann. Doch auch diese Angleichung strapaziert Szifron nicht über. Überhaupt ist die Profilerin wichtiger als der Killer. Fast nebenbei zeigt Szifron die Mikro-Herabwürdigungen, die sie während der Ermittlungen erfährt, etwa, wenn sie als einzige Frau im Raum das Baby eines Verdächtigen beruhigen soll. Was sie wirklich drauf hat, spart sich der Film für den Showdown auf.

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...