Originaltitel: CLIMAX

F 2018, 95 min
FSK 16
Verleih: Alamode

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Sofia Boutella, Souhela Yacoub, Romain Guillermic

Regie: Gaspar Noé

Kinostart: 06.12.18

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Climax

Dicke Eier, stramme Titten und Gebrüll

Gaspar Noé bevorzugt ja inhaltliche Übersichtlichkeit, auch zum CLIMAX kommt er schnell: 21 junge Tänzer und Tänzerinnen feiern die anstehende Tournee. Stimmung, Party, Knistern. Drogenverseuchte Sangria. Paranoia, Gewalt, Übereinanderherfallen ...

Sicher, Noés Beste (MENSCHENFEIND und IRREVERSIBEL) bestachen gleichfalls nicht gerade durch funkelnde Handlungsbrillanz. Aber sie verstörten gnadenlos, packten an der Kehle, drückten anderthalb Stunden lang zu, bis der Schwindel einsetzte, Ekel, dann das Entsetzen: Sie, ein das Kino nicht panisch verlassender IRREVERSIBEL-Zuschauer, hätten damals doch irgendwann gern selbst zum Feuerlöscher gegriffen und Monica Bellucci gerächt, oder? Den Schädel ihres Peinigers zertrümmert, das verhaßte Gesicht zerstört! CLIMAX nun ermüdet nur stark, hinterläßt desinteressierte Emotionslosigkeit und, was für Noé ein noch schlimmerer Vorwurf sein sollte, er eigenkopiert mechanisch – den Abspann zum Anfang kennt man mittlerweile ebenso wie die eingeblendeten Kommentare. Deren auf düster-cool gebürstete Sinnlosigkeit wiederum mag man bloß belächeln und Phrasen wie „Sterben ist eine außergewöhnliche Erfahrung“ unter dem verbuchen, was sie sind, nämlich Ulk.

Erneut zeigt sich, daß am meisten spricht, wer am wenigsten zu sagen weiß. Weswegen die Geschichte von der bösen Bowle als Stummfilm mit Musikbegleitung genial funktionieren würde; als Rausch aus Farben und Tönen, Pissen auf den Boden und animalisch reduziertem Sex. Praktisch martern hingegen endloses Gesülz über Analverkehr, ein androgynes Wesen, den Verlust der Jungfräulichkeit wortreich planend, erst verbale Äquivalente zu dicken Eiern und strammen Titten, später Rumgebrüll. Noé hat den Fisch Publikum am Haken – und schmeißt ihn verschwafelt zurück ins Wasser.

Wo Noés Frühwerke fiese Ritte in die Hölle waren, bleibt hier maximal ein Kurzbesuch im Fegefeuer. Tonträger-Verkaufsstand inklusive, denn wie CLIMAX den Soundtrackabsatz ankurbelt, geht tatsächlich absolut klar. Allein die erste Performance! Geile Musik, geile Körper, geile Moves, geile Gesichter. Ohne Schnitt. Bravourös. Man will vor, auf und in die Leinwand kriechen, berühren, riechen, wegdriften. Wahrliche Mindfuck-Kunst – im Kontrast zum Zusammentreten einer Schwangeren oder anderen billig-dummen Provokationen. Da kann sich die Kamera buchstäblich auf den Kopf stellen: Das Hirn verdreht nix.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...