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Der Andere

An den schönen Lack verschenkt

Daß man sich im Laufe seines Lebens mehr als nur einmal verliebt, ist zwar keine Zwangsläufigkeit, darf aber mal als relevante Möglichkeit vorausgesetzt werden. Kann man nun aber über viele Jahre hinweg gleichzeitig zwei Menschen lieben? Und damit kein Mißverständnis aufkommt: Von „lieben“ ist die Rede, von einem Gefühl also, das nicht zuletzt ob seiner Intensität eigentlich Exklusivität beansprucht. Und um die Frage aus gegebenem Anlaß jetzt mal zu konkretisieren: Kann eine glücklich verheiratete Frau, ihrem Mann in echter Liebe zugetan, trotzdem einem Anderen, einem zweiten Mann, in ebensolcher Intensität und Zärtlichkeit, ebensolcher echter Liebe, zugetan sein? Ist Liebe eine Sache der Monogamie, oder ist Monogamie nur das kulturelle Konstrukt, das Korsett, das unsere Gefühle vorm Wildwuchs bewahren soll?

Fragen, die Bernhard Schlink („Der Vorleser“) in seiner Erzählung „Der Andere“ impliziert. Regisseur Richard Eyre, der 2006 mit TAGEBUCH EINES SKANDALS überzeugte, nahm sich der Vorlage an. Nun wird in seinem Film besagte Frage – Kann man gleichzeitig zwei Menschen lieben? – zwar einmal gestellt, der Film selbst aber stellt sie nicht.

Lisa und Peter sind ein glücklich verheiratetes Paar. Bis Peter entdeckt, daß seine Frau ihn seit Jahren betrügt. Peters Welt gerät ins Wanken, Gewißheiten verwischen. Peter sucht Antworten. Und nähert sich inkognito Ralph – Lisas Geliebtem ... Das ist im Grunde die ganze Geschichte, die eigentlich auch ausreichend wäre für ein Drama, das obige Fragen auszuleuchten versucht. Doch nichts davon schwingt in Eyres Film mit – und der Ehrlichkeit halber sei das erwähnt: in Schlinks Vorlage auch nicht wirklich. Daß die Geschichte in verschachtelten Rückblenden erzählt wird, mit vermeintlich überraschenden Wendungen bis hin zur tönenden Melodramatik aufwartet, ist bloßer Gimmick, ist wenig mehr als dekorativer Lack auf substanzloser Packung. In der muß Liam Neeson als Peter den kühlen britischen Intellektuellen (viel Falten auf der Stirn) mimen, während Antonio Banderas als (in)brünstiger Latin-Lover Ralph (viel Pomade im Haar) den peinlichen und auch peinlich penibel ausgestanzten Gegenentwurf gibt.

Dazu röcheln nahezu sämtliche Dialoge unterm schweren Gewicht pathetischer Phrasen. Immerhin ist das Ganze ansehnlich fotografiert und schwelgt gekonnt in luxuriösem Dekor. Nur – wie meistens – rettet das auch hier nichts.

Originaltitel: THE OTHER MAN

GB/USA 2008, 88 min
FSK 12
Verleih: Koch Media

Genre: Drama, Literaturverfilmung, Liebe

Darsteller: Liam Neeson, Laura Linney, Antonio Banderas

Regie: Richard Eyre

Kinostart: 29.07.10

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.