D 2006, 119 min
Verleih: Concorde

Genre: Drama, Historie, Schicksal

Darsteller: Gedeon Burkhard, Sibel Kekilli, Hans Jürgen Silbermann, Brigitte Grothum, Juraj Kukura

Regie: Joseph Vilsmaier, Dana Vávrová

Kinostart: 09.11.06

Noch keine Bewertung

Der letzte Zug

Bilder für das "Unvorstellbare"

Artur Brauner, Übervater des deutschen Nachkriegsfilms, hat immer wieder Möglichkeiten gesucht, seinem Anrennen gegen das Vergessen ein Forum zu geben. Leicht wird man den Holocaust-Überlebenden hinter dem Autoren-Pseudonym Art Bernd ausmachen. Schwerer aber fällt es, Worte über eine Filmkunst zu formulieren, die ihrem Thema - der organisierten Vernichtung von Menschen - mit so viel Entrüstung und dennoch so viel künstlerischer Ohnmacht begegnet.

1943 ist das Jahr, 688 die Zahl, Auschwitz das Ziel, mit dem diese letzte Reise im Viehwaggon ihren Anfang nimmt. Ein alternder Komiker, der auch Witze macht, wenn es die SS zu einer menschlichen Regung zu bewegen gilt. Ein Boxer, der sich zügeln muß, um den verängstigten Mitinsassen nicht mit Schlägen zu begegnen. Frauen, Kinder, Greisinnen, die sich am Holzboden die Lippen blutig reißen, um einen Tropfen Wasser zu ergattern. Das sind die Protagonisten eines Leidens-, eines Todeskampfes, der seine Verzweiflung aus verbürgten Schicksalen, seine Bilder aber aus einem filmischen Fundus generiert, der Ausweglosigkeit heißt - auch ästhetisch. Eine neue, eine verstörende Sicht auf das Grauen, das in unseren Sprachgebrauch als "unvorstellbar" eingegangen ist, und der zum Beispiel BENT mit einer ganz eigenen Poetik begegnete, ist nicht intendiert.

Gefilmte sechs Tage Sterben, Leiden, Hoffen, Verbluten, Vertrocknen, Verwesen - eine geradezu körperliche Erfahrung auf wenigen Quadratmetern, eingefangen mit der Handkamera und ausgedrückt von einem Ensemble, das im Einzelnen durchaus überrascht. Der emotionale Overkill für ein Publikum, das auf seinen Magen, auf seine ganz physischen Mechanismen reduziert bleibt, ist jedoch das grundsätzliche Problem dieses Films.

Das Vorhaben, verlassen von Regisseuren wie Ivan Fila oder Rolf Schübel, hat im Ehepaar Vilsmaier-Vávrová nach längerem Suchen ein potentes, ein in Bildern und Gefühlen unanständig versiertes Regieduo gefunden, das jeden Satz an seinem pathetischen Höhepunkt, jedes Gesicht am Überschlag zur eigenen Auflösung fixiert. Gezielt wird hier auf eine Empathie aus dem Bauch, die in der emotionalen Kraftprobe aus visueller Klaustrophobie und menschlichen Ausscheidungen mal die Oberhand behält und mal verliert. Und das ist, gerade angesichts des Themas, viel zu wenig.

[ Sylvia Görke ]