D 2022, 105 min
FSK 12
Verleih: Port au Prince

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Aylin Tezel, Sohel Altan Gol, Bardo Böhlefeld

Regie: Pola Beck

Kinostart: 03.11.22

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Der Russe ist einer, der Birken liebt

Ein Identitätspuzzle

Eine Biographie ist zerfallen. Das Leben der 29jährigen Mascha ist nach dem verheerenden Unfall ihres Partners aus der Bahn geraten. Nun erscheint sie uns an verschiedenen Orten und Zeitpunkten. Sie läuft vor ihrem Leben davon, auf der Suche nach Selbstfindung.

Zwischen Deutschland und Israel, Flucht, Trauma und verschiedenen Sprachen bewegt sich dieser Film. Fragmente eines Lebens setzen sich zum Charakterporträt zusammen. Sie werden gleich zu Beginn mit mysteriöser Verführungskraft auf die Leinwand gespült: Bilder der Zweisamkeit, eines Abtauchens im Meer, eines erotischen Aktes, dessen Teilnehmer sich verwandeln. Aus der Romanvorlage von Olga Grjasnowa ist eine Montage fragiler Selbsterkundungen geworden, die mal konfus und verlaufend, aber immer wieder auch mit großer Energie hin- und herspringen. Die Literaturverfilmung fügt sich damit passend in gegenwärtige Versuche eines postmigrantischen Kinos ein, das neue Erzählweisen für diverse Gesellschaften sucht. Das fluide Identitäten ins Zentrum rückt, die Begriffe von Heimat, Herkunft, aber auch Religion oder Sexualität neu begreifen.

Aylin Tezel, die Hauptdarstellerin, hält diesen Erkundungsprozeß mit eindrucksvoller Fassung zusammen. Gleitende, gedehnte Kamerafahrten erkunden mit ihr eine Welt, die oft in ihren Konturen und Rändern verzerrt und verschwimmt. Plötzlich ist ihr kosmopolitischer Traum der Karriere und Selbstentfaltung zerstört. Ihn wieder zusammenzusetzen, das bedeutet hier auch: zahlreiche Facetten auszublenden, zu verformen, unbefriedigende Lücken zu lassen. So, wie man sich selbst eben der Welt erzählt.

[ Janick Nolting ]