Originaltitel: TREASURE PLANET

USA 2002, 88 min
Verleih: Buena Vista

Genre: Zeichentrick, Literaturverfilmung, Abenteuer

Regie: Ron Clements & John Musker

Kinostart: 05.12.02

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Der Schatzplanet

Disney greift nach den Sternen

"Eines Tages wirst Du die Sterne zum Staunen bringen." prophezeit John Silver seinem Küchenjungen Jim Hawkins, der wie gebannt an den Lippen des Schiffskochs hängt und in diesem Augenblick - auf den blank gescheuerten Planken seiner Weltraum-Fregatte, die Sterne über, unter und neben sich - beschließt, den finsteren Einarmigen zu lieben. Eine Szene, die man in R.L. Stevensons Abenteuer-Klassiker "Die Schatzinsel" vergeblich suchen wird.

Im diesjährigen Disney-Weihnachtsfilm passiert etwas Wunderbares und in der Disney-Welt sehr Seltenes: Das gnadenlos Hübsche & Adrette, der kalkulierte Bambi-Schneewittchen-Rührkram wird im Zaum gehalten von einer originellen, poetischen Gesamtschau. Aus Stevensons Seefahrerballade hat Disney eine Space-Odyssee gemacht. DER SCHATZPLANET ist immer noch die alte Mär von der Jagd des Schiffsjungen Hawkins nach dem sagenhaften Schatz des Kapitän Flint. Immer noch wird hier die Geschichte vom Erwachsenwerden erzählt, und immer noch atmet die Erzählung gleichzeitig auch die Sehnsucht nach der abgeworfenen Kindheit, der Ferne, dem Rätsel, dem Abenteuer. Doch bei Disney haben sich die Grenzen dieser Sehnsucht ins Unendliche verschoben: Die sieben Weltmeere sind nicht mehr genug; es geht hinaus zu den Sternen. Diese stimmige interstellare Adaption ist komplett ausgestattet mit Robo-Cops, Raumhafen, einer alten Fregatte mit schnittigem weiblichen Kapitän, einem ersten Offizier, der aussieht wie Ben das Ding, einer unappetitlichen Crew aus der Brut von tausend Planeten und dem Küchenjungen Jim Hawkins als Verschnitt von Luke Skywalker und dem Silver Surfer.

Der eigentliche Held, das wirklich Neue ist aber der Schurke des Films: Disneys John Silver ist kein geifernder Bückling mehr, sondern ein Grobklotz mit Schmäh und Seele. Dieser erdige Fettwanst treibt Jim Hawkins und den ganzen Film so charismatisch vor sich her, daß der Handlung kaum Zeit bleibt, in Gefühligkeit und fade Witzchen auszubüxen. So wird ein kleines Weihnachtsmärchen wahr: Disney frißt seine Vorlage mal nicht mit Haut und Haaren, um sie zu was bloß Niedlichem, Sentimentalem zu verdauen. Das hat es seit dem Dschungelbuch kaum mehr gegeben. Da staunen die Sterne und Mowgli wundert sich.

[ Christian Seichter ]