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Der zehnte Sommer

Lang lebe König Kalli!

Dieser Sommer kommt leichtfüßig und in historischem Gewande. 1960, eine Provinzstadt am Niederrhein. Wie gemacht für einen Kinderfilm, der trotz unbeschwerter Heiterkeit einen ganzen Katalog sozial relevanter Themen aufblättert.

Denn wo die Leute noch mit wirklichen - materiellen - Sorgen zu tun haben, mit den Kriegswunden der Väter und der Schwierigkeit, das Idealbild der Familie aufrecht zu erhalten; wo die Kirche noch der Hüter der Moral ist, das Ansehen der Person aber mit dem Klatsch-Barometer steigt und fällt; wo schließlich die mannigfaltigen Lügen und Geheimnisse der Erwachsenenwelt bleiben, was sie sind: eben Lügen und Geheimnisse, da spurt die Phantasie. Und wenn man wie Kalli Spielplatz gerade neun Jahre alt geworden ist, die Ferien vor sich hat und mit seinem nagelneuen Roller die Siedlung inspiziert, dann fühlt man sich schon mal leicht als König dieser kleinen Welt. Aber nicht alles bleibt reine Phantasie. Kalli erringt das Herz der jungen "Prinzessin" Franzi - mit einem waschechten Kuß im Wäschekeller - und gründet mit seinen Blutsbrüdern Polli und Walter einen königlichen Zoo, mit Spinnen und Käfern und einem ganz wirklich wirklichen Affen. Und da fangen die Probleme auch schon an. Denn natürlich darf niemand etwas von ihrem neuen Spielkameraden wissen. Wohin also mit ihm? Kalli hat eine Idee, die die Siedlung schön durcheinander bringt: Frau Hilfers und Töchter, die drei Nachbar-Grazien, von Geheimnis umweht. Es heißt, Männer mit Portemonnaie kommen hierher. Und Kalli bekommt nicht nur eine Ahnung davon, daß sich irgendein großes Geheimnis dahinter verbirgt, sondern es zeigt sich auch, daß die im Grunde ihres Herzens liebenswerten "Hexen" an dem König einen Narren gefressen haben. Dennoch gibt es Geheimnisse, die Kalli lieber nicht erfahren hätte ...

Die Figurenzeichnung der Frau Hilfers und das eher unwahrscheinliche Ende wären in einem Erwachsenenfilm sicher nicht durchgegangen. Aber Roman- und Drehbuchautor Dieter Bongartz greift zu einem simplen Trick: Er erzählt die Geschichte aus Kallis Perspektive, jedoch mit einem Anspielungsreichtum, der auch dem großen Publikum Vergnügen bereitet. Immer wieder stößt Kalli an die Grenzen seines Reiches, wo die Realität der Erwachsenen, die Welt des verantwortungsbewußten Handelns beginnt. Das zentrale Thema aber ist die Entdeckung der Liebe in all ihren Ausprägungen.

D 2003, 97 min
Verleih: Arsenal

Genre: Kinderfilm

Darsteller: Katharina Böhm, Kai Wiesinger, Erika Marozsan, Martin Stührk

Regie: Jörg Grünler

Kinostart: 04.09.03

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...