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Die Affäre

Eine Kugel für eine verrückte Liebe

Es ist Sommer in Südfrankreich, die Grillen zirpen, die Landschaft zerfließt in Spektralfarben, und die Sonne brennt auf mediterrane Kacheln, als wären sie nicht schon längst im Ofen gehärtet worden. Regisseurin Catherine Corsini und Kamerafrau Agnès Godard haben genügend Erfahrung, um ihr filmisches Präsentierporzellan so knapp und effektiv vorzuführen, daß mit der ganzen fragilen Pracht auch sofort jene unheilvolle Ahnung kommt, sie könne an einem Luftzug zerbrechen. Doch der Luft bleibt hier nichts überlassen. Eine dumpf einschlagende Kugel im Off bildet die Ouvertüre, das dazugehörige Mündungsfeuer das Finale.

Dazwischen spielt sich ab, was unter dem Schlagwort „Amour fou“ als vielleicht markantester französischer Beitrag in den Motivschatz der Filmgeschichte eingegangen ist. Suzanne, gepflegte Arzt-Gattin, verliebt sich in den katalanischen Bauhelfer Ivan. Dabei ist sie gut verheiratet, ausgebildete Physiotherapeutin, hat zwei wohlgeratene, fast erwachsene Kinder und kann jetzt, da sie die Vierzig überschritten hat, endlich von vorn beginnen. Doch mehr als ein Umbau am Haus war vorerst nicht geplant.

Die neue Liebe kommt aus dem Nichts und führt ins Nichts, sie kann und darf nicht sein und berührt doch mit aller Durchschlagskraft das Leben aller Beteiligten. Ihr naturgewaltiges Hereinbrechen, vom ersten Abtasten mit den Augen bis zur allerletzten Vertrautheit, schildert Corsini mit Eindringlichkeit und Virtuosität – ohne halbherzige Erklärungen für eine Anziehungskraft, die durch erotische Sehnsucht oder pure Neugier allein nicht zu begründen wäre.

Die Besetzung ist tadellos: Kristin Scott Thomas, die Mäßigung und Zügellosigkeit in einem einzigen Zucken ihrer schmalen Lippen zu fassen vermag. Ein ozeanweicher, hemdsärmeliger, sanftmütiger Sergi Lopez, den die Leidenschaft wie Wellen umspült. Ein tödlich verletzter, mühsam beherrschter Yvan Attal, der wenig sagt, aber schließlich das vernichtende „Ohne mich bist Du nichts“ herausschleudert.

Die Klassizität der filmischen Konstellation bricht sich an einigen Untiefen. Dazu gehören vor allem die reichlich vagen gesellschaftlichen Fallhöhen dieser Ménage-à-trois und nicht zuletzt die leidlich hölzern auf Krawall gebürsteten sozialen Milieus. Aber sei’s drum ...

Originaltitel: PARTIR

F 2009, 85 min
FSK 12
Verleih: Alamode

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Kristin Scott Thomas, Sergi Lopez, Yvan Attal

Stab:
Regie: Catherine Corsini
Drehbuch: Catherine Corsini

Kinostart: 28.01.10

[ Sylvia Görke ]