Originaltitel: LES CHOSES SIMPLES

F 2022, 96 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Lambert Wilson, Grégory Gadebois, Marie Gillain, David Bertrand

Regie: Éric Besnard

Kinostart: 21.09.23

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Die einfachen Dinge

Wenn nicht nur der Berg ruft

Es gibt ja Menschen zum Spontan-ins-Herz-Schließen – Vincent gehört nicht zu ihnen. Der fremdernannte „Business Angel“ schwallt zu viel, oft Optimierungsblödsinn, rennt Erfolg und Mammon hinterher, erleidet eine Panikattacke bei der Frage, ob er glücklich sei. Und flüchtet darum aufs Land, drängt sich voller Ruhebedürfnis Pierre auf, der ihm neulich nach einer Cabrio-Panne half. Lackschuh vs. fußnackt, Dauergesülz gegen Sätze mit fünf Worten, meist weniger. Der Finanzhai kreist im Revier des Ex-Meeresforschers, welcher nur die Gesellschaft eines Hundes hat, den er – logisch, oder? – zugewandt „Hund“ ruft. Korrektur: fast nur. Denn da wären noch seine verwitwete Schwägerin plus Nichte.

Kein Zweifel daran, daß die Bergluft frischer duftet als der Plot, es Pierres bärbeißige Ehrlichkeit reißen muß, Basisinteresse zu wecken. Wenn man indes gerade argwöhnt, BIRNENKUCHEN MIT LAVENDEL-Regisseur Éric Besnard hätte an Erzähltalent verloren, beackern verbale Rückwärtsrollen charakterliche Spannungsfelder: „Du hörst mir seit drei Jahren beim Weinen zu.“ Schlichte Feststellung eigentlich. Aber aus allen relevanten Perspektiven zu Ende gedacht … 

Spätestens jetzt vermag Besnard neben famosen Darstellern sowie berückenden Panoramen belastbar auf seine Empathie zu setzen, entspinnt eine Beziehung, deren Weg, alltäglich eben, von abklopfender Oberflächlichkeit zu verbindender Tiefe führt. Inkludiert ein Phänomen – namentlich das non-sexuelle, intensive Knistern zwischen zwei Hetero-Männern, Stattfinden einer emotional-chemischen Reaktion, die, ihrer Art entsprechend, beide Beteiligten irreversibel verändert. Carl Gustav Jung formulierte dies einst aus, derart hinreißend beobachtet wurde es selten, birgt zwar kaum Überraschung, doch warme Freude angesichts dessen, was irgendwann ganz plötzlich um Pierres Mund schmeichelt: oh, ein Lächeln! Weitergetragen zum Publikum.

Besnard gelingt es bravourös, scheinbar Einfaches nie Banalitäten zu opfern, er bebildert dazu kurz vor Schluß die Sexiness darin, sich aus Herzschlagantrieb heraus zum Affen zu machen, für jemanden, der das korrekt als wunderbare Liebeserklärung versteht. Allerdings weiß er außerdem: Es ist immer bloß so simpel, wie wir selbst uns gestatten. Vielleicht klingen deshalb zum natürlich krönenden Happy End entrückt melancholische Töne.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...