Originaltitel: LA BRIGADE

F 2022, 97 min
FSK 0
Verleih: Piffl

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Audrey Lamy, François Cluzet, Chantal Neuwirth, Fatou Kaba, Yannick Kalombo

Regie: Louis-Julien Petit

Kinostart: 15.09.22

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Die Küchenbrigade

Bittersüßes aus Meisterhand

Was so ziemlich jeden anderen Regisseur in die Schäm-Dich-Ecke verbannen würde, möchte bei Louis-Julien Petit als Kompliment und unbedingte Empfehlung verstanden sein – das Urteil nämlich, er habe seinen letzten Film gefühlt noch mal gedreht. In Petits Fall hieß er DER GLANZ DER UNSICHTBAREN, weckte hierzulande unverdient eher mäßiges Publikumsinteresse und war ein wahrer Herzensstürmer. Selbst die Hauptdarstellerin ist wieder an Bord!

Audrey Lamy spielt hinreißend rustikal Cathy Marie, Sous-Chefin eines Sternelokals, die just den Schaumlöffel hinschmeißt, da ihre Chefin freie Entfaltung behindert und auch sonst motivierende Anerkennung sträflich vermissen läßt. Leider übt der Arbeitsmarkt allerdings Zurückhaltung darin, sich um das freie Talent zu reißen, es winkt lediglich ein Kantinenköchinnen-Job im Heim für unbegleitete Migranten. Denen Dosenravioli absolut genügen. Und die übermütterliche Lehrerin Sabine nervt! Cathys Frustlevel steigt …

Natürlich überrascht es kein Stück, daß in Sabine doch gewisse Coolness schlummert, sich die wortkargen Jugendlichen wortwörtlich häppchenweise öffnen, oder Cathy ihren Widerspruchsgeist in sinnvolle Bahnen lenkt. Petit ersetzt die Obdachlosen vom GLANZ durch Geflüchtete, hebt abermals professionelle unter Laiendarsteller und verschenkt großzügig Aufmerksamkeit an dauerbrennende Themen. Einmal mehr vollkommen ohne Gebarme, der Zeigefinger bleibt unten, Lockerheit dominiert, eine Prise persönlicher Hintergrund trifft auf einen Spritzer Emanzipation, gemischt mit ganz viel Humor.

Petit gelingt ein weiterer Blick dort hinein, wo eigentlich gern drüber hinweggesehen wird, aus Gewohnheit vielleicht, dazu Ermüdung oder Furcht, die Welt scheint aus sämtlichen Fugen, man blättert lieber aufgerissenen Auges im eigenen Sorgenkatalog. Kann dabei kaum zwischen echter Relevanz und Luxusproblem unterscheiden, verlernt das prioritäre Zurückfahren und Anpacken statt Jammern. Etwas, das Cathy ebenfalls begreifen muß, beim Queren labyrinthischer Gänge, live vor Ort und übertragen bei stur das Regelwerk anlegenden offiziellen Stellen. Im Abgang schmeckt Wehmut, bei weitem nicht alles fügt sich wie erhofft zusammen, weil eine ideale Filmwelt das so will. Petit weiß nur zu gut: Manche Schlacht geht bereits von vornherein verloren. Er kämpft trotzdem.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...