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Die Vaterlosen

Der See ist still, die Frösche sind abgewandert

... das passiert. Und der Vater liegt tot im Bett. Hans, der es niemandem recht machen wollte, der seine Kinder dogmatisch zur Freiheit erzogen hat. Sein Sohn Niki, der Arzt wurde, bekommt noch am Sterbebett zu hören, daß er feige sei, es allen recht machen wolle. Die anderen Kinder kommen zu spät: Vito, der Träumer, und Mizzi, die hochsensibel ist und unter neurophysischen Störungen leidet. Und dann taucht Kyra mit ihrem Freund auf. Mit ihr hätte niemand gerechnet. Auch sie ist eine Tochter von Hans, die lange als verschollen galt.

An dieser Stelle öffnet Marie Kreutzer das Erinnerungsalbum. Feinfühlig lotet sie die Familienstruktur aus, die einstmals ein Kollektiv war, bevor sich Hans durch Anna „sexuell separierte“, und die Kommune sich im Streit auflöste. Das alte Landhaus, mittlerweile eine Bruchbude, wird zum Ort eines dichten Kammerspiels, in dem sich für alle Anwesenden die Frage nach Anknüpfungspunkten an ihre gemeinsame Vergangenheit stellt. In Rückblenden setzt Kreutzer fehlende Puzzlestücke ein, die ein Bild des Vaters, aber auch die zerbrochenen Ideale einer Gemeinschaft enstehen lassen, die es nicht geschafft hatte, eine Wahlfamilie zu bilden. Der Wille, weder unpolitisch noch kleinbürgerlich zu leben, verlor sich am Ende doch in der Banalität des Alltags, scheiterte am Menschlichen, das sich nicht in ein Manifest packen ließ. Dabei werden die Chancen und Zumutungen sichtbar, die die Kinder von einst zu denen hat werden lassen, die sie heute sind. Kreutzer blickt ohne Romantik, aber auch ohne Frustration auf ein alternatives Lebensmodell und läßt ihre Charaktere sich daran abarbeiten. Bezeichnenderweise stehen auch sie bald wieder vor ähnlichen Problemen, lassen sich doch Emotionen wie Eifersucht, Wut und Anziehung nicht wegargumentieren.

Nur an ganz minimalen Stellen verliert das Schauspiel des ingesamt hervorragend besetzten Ensembles an Kraft, weil eine zu klassische Auflösung oder ein Müh gefühltes Schauspiel den Bann stört, in den Kreutzer den Zuschauer versetzt. Abgesehen davon ist der österreichischen Regisseurin einer der besten deutschsprachigen Familienfilme der letzten Jahre gelungen. Familienfilm tatsächlich im Sinne für einen Kinoausflug mit der ganzen Sippe (Ü 14), aber auch eine der erzählerisch authentischsten Auseinandersetzungen mit dem Miniaturuniversum, welches uns am nächsten sein sollte, jedoch immer wieder durch ein maßloses Gefühl der Entfremdung frappiert.

Österreich 2011, 105 min
Verleih: Thimfilm

Genre: Drama

Darsteller: Andrea Wenzl, Andreas Kiendl, Emily Cox, Philipp Hochmair, Marion Mitterhammer, Johannes Krisch

Regie: Marie Kreutzer

Kinostart: 04.08.11

[ Susanne Schulz ]