Originaltitel: THE POST

USA 2017, 115 min
FSK 6
Verleih: Universal

Genre: Drama, Polit, Thriller

Darsteller: Meryl Streep, Tom Hanks, Alison Brie, Bob Odenkirk, Sarah Paulson, Matthew Rhys, Carrie Coon

Regie: Steven Spielberg

Kinostart: 22.02.18

5 Bewertungen

Die Verlegerin

Über eine Unbestechliche in einem Meisterstück edler und vornehmster Schauspielkunst

Als die wuchtigen Druckmaschinen schließlich zu arbeiten beginnen, fühlt es sich im Stockwerk darüber an wie ein Erdbeben. Alles wackelt, die Luft ist zum Schneiden dick. Es fühlt sich nicht nur so an, es ist wirklich ein Erdbeben, das die „Washington Post“ in dieser Nacht im Juni 1971 gleichermaßen erlebt wie auslöst. Die Zeitung wird am Morgen Teile der sogenannten „Pentagon-Papiere“ bringen, geheime Akten aus US-Regierungskreisen, die brisante Lügen und Geheimnisse über den Krieg in Vietnam bündeln und vier Präsidentschaftszeiten betreffen.

Die „Times“ war eher dran. Das Konkurrenzblatt aber wurde de jure gestoppt. Im Weißen Haus war man blutrot angelaufen, Richard Nixon kannte da nix und tönte aggressiv von „Landesverrat“ und „gefährdeter innerer Sicherheit.“ Das Bundesgericht folgte den Phobien und verhängte ein Veröffentlichungsverbot. Für die Mitarbeiter der „Post“ war dieser Umstand weniger gefundenes Fressen als Signal, die eigenen berufsethischen Ansprüche zu hinterfragen – journalistisch und verlegerisch. Als man auch ihnen diese 7000 kopierten Seiten anbot schlug die Stunde besonders für eine Frau: Katherine Graham, Vorstandvorsitzende, Mitte 50, verwitwete Mutter von vier Kindern.

DIE VERLEGERIN ist also ein guter Filmtitel? Nein, ist er nicht wirklich! Weil er in die Irre führt. Regisseur Steven Spielberg erschafft hier kein Porträt dieser dereinst ersten als einflußreich gelisteten Frau in Führungsposition, er schenkt ihr nur alle verdiente Aufmerksamkeit. Einen geschärften Fokus. Intensive Momente. Ansonsten ist sein dynamisch geschnittenes, exzellent gespieltes und in zentraler Aussage zeitlos brisantes Drama ein Ensemblefilm. Deshalb heißt er im Original ja auch THE POST.

„Ich brauche zwei Tickets“, sagt Reporter Ben Bagdikan, sichtlich erregt, am Telefon. In einem fernen Motel hat ihm der ehemalige Ministeriumsangestellte und jetzige Whistleblower Daniel Ellsberg die kopierten Akten gezeigt und übergeben. Auf dem Heimflug nach Washington D.C. bekommen die Kisten einen Fensterplatz, angeschnallt wie mitreisende Kinder.

DIE VERLEGERIN erlebt knapp danach seine brisanteste Phase: Unsortierte Blätterberge werden in der Wohnung von „Post“-Chefredakteur Ben Bradley von einem ausgewählten Kreis gesichtet, bewertet, in Reihe gebracht, fürs Publizieren vorbereitet. Miss Bradley reicht dazu Schnittchen, es wird geraucht. Viel geraucht. Die gravierendste Entscheidung aber hat Katherine Graham zu fällen, die den Verlag bislang eher defensiv und aus Verneigung vor der Familientradition führte.

Womit Meryl Streep ins Spiel kommt. Sie ist hier, also ein weiteres Mal, atemberaubend gut, im Inneren zerpflückt, vibrierend und voller Fragezeichen, nach außen nie gekünstelt stark, mit einer feinsinnigen Ader für Humor. Wie die große Streep ihre gleichsam wachen Partner wie Tom Hanks oder Bruce Greenwood mitnimmt, statt sie an die Wand zu spielen, ist edelste und zugleich vornehmste Kunst. Wobei ihr nicht nur Spielbergs Inszenierung, sondern vor allem das punktierte Drehbuch zur Seite steht.

Ein typischer Spielberg, was immer das für Sehgewohnheit und -lust bedeuten mag! DIE VERLEGERIN hat noch immer DIE UNBESTECHLICHEN von 1976 vor Augen, konzentriert sich auf Menschengruppen inner- und außerhalb von Redaktionen und Privaträumen, also auf deren Chemie, Energie, aufs Ringen mit Ehrgeiz, Zweifel, Kompromiß und Sensation. Daß er als Politthriller dabei niemals so nüchtern ausfallen kann wie SPOTLIGHT oder DER GROSSE CRASH, entbehrt nicht einer gewissen Logik. Spielberg braucht eben die vermeidbare Eingangssequenz von der Vietnamfront, um Ellsbergs Motivation für den folgenden „Verrat“ zu erklären. Er braucht John Williams am Orchesterpult, die ganz großen Gesten nach Siegen vor Gericht oder über den eigenen Schweinehund.

Da diese zwei Stunden aber im guten Sinne ziehen, in keiner Phase an Tempo verlieren und von vielen stimmigen beiläufigen Sequenzen leben, gibt sich dieses erste von zwei 2018er Spielberg-Werken ein eigenes Gewicht.

[ Andreas Körner ]