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Es ist schwer, ein Gott zu sein

Ein wahrlich monströses Kinodelirium

Arkanar nennt sich, was hier als „Stadt“ bezeichnet wird. Ein Moloch aus fensterlosen Mauern, rußigen Kellerlöchern und Labyrinthen, eine mittelalterliche Ruinenburg, die ein immer wieder niederprasselnder Platzregen in einem Morast aus Schlamm und – man muß es so sagen – Scheiße versinken läßt. Irgendwo in den Weiten des Universums liegt dieser Un-Ort. Auf einem Planeten, der ein Abbild der Erde ist. Ein Abbild allerdings, das wie in einem teuflischen Zerrspiegel Existenz als nichts denn totale Trostlosigkeit und stumpfsinnige Grausamkeit reflektiert. Denn auch diese Wesen, die hier exzessiv röchelnd, verdauend, meuchelnd und verreckend durch die Schlammkulissen wanken und kriechen, sind Spiegelbilder. Menschliche.

ES IST SCHWER, EIN GOTT ZU SEIN basiert auf einer Erzählung der Brüder Arkadi und Boris Strugatsky, die – gleichsam eine Sci-Fi-Allegorie auf den Stalinismus – ein seltsames Gedankenspiel spielt: Da ist dieser Planet, der unserer Welt ähnelt, aber im wahrsten Sinne in einem Zustand finstersten Mittelalters verhaftet ist. Auf diesem Planeten nun verrichten von der Erde entsandte Historiker, gleich Spionen, heimlich Forschungen. Mit dem Horizont der Moderne, dem Potential der Aufklärung und Wissenschaft sollen sie diesen horizontlosen, martialischen und okkultistischen Moloch analysieren. Das aber, so die Direktive, ohne sich in die Geschehnisse einzumischen. Wissend gottgleich, aber ohnmächtig in einer finsteren Welt – aus dieser Grundkonstellation schuf Regisseur Alexej German ein filmisch fieberndes Nachtmahr-Gedicht exorbitanter Länge. Ein Delirium zwischen Klaustrophobie und Agonie. Eine bildgewaltige Plansequenz-Phantasmagorie aus Gedrängel und Gemetzel, Gekröse und Gebrabbel, abgeschnittenen Kinderköpfen und ausgestochenen Augen, Wahnsinn, Dreck und Tod.

Fast 25 Jahre ging German mit diesem Stoff schwanger, bevor er im Jahr 2000 die Dreharbeiten daran begann. Die sich ihrerseits bis 2006 erstreckten und eine nochmals bis 2013 dauernde Postproduktion nach sich zogen. Kurz vor der Fertigstellung starb German im Alter von 75 Jahren. Sein Sohn Alexej German jr. vollendete das Werk. Eins, das in seiner eigentümlichen Form, Monstrosität und Besessenheit schwer durchzustehen ist. Und das einen, läßt man sich darauf ein, mit einer künstlerischen Zumutung ambivalenter Faszination belohnt.

Originaltitel: TRYDNO BYT BOGOM

Rußland 2013, 177 min
FSK 16
Verleih: Bildstörung

Genre: Science Fiction, Experimentalfilm

Darsteller: Leonid Jarmolnik, Juri Tsurilo, Alexander Chutko

Regie: Alexej German

Kinostart: 10.09.15

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.