Originaltitel: TRUMAN

Spanien/Argentinien 2015, 108 min
FSK 0
Verleih: Ascot/Universum

Genre: Tragikomödie, Schicksal, Poesie

Darsteller: Ricardo Darín, Javier Cámara, Dolores Fonzi, Àlex Brendemühl

Regie: Cesc Gay

Kinostart: 25.02.16

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Freunde fürs Leben

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Ein Klingeln an der Tür, Julián – Theaterschauspieler in Madrid, geschieden, Vater eines weit entfernt studierenden Sohnes und nahezu pleite – öffnet, davor steht Tomás, ehemals bester Kumpel aus Kindertagen, lange nicht gesehen, weil nach Kanada verzogen. Ehrliche Freude, herzliche Umarmung, ein anzüglicher Gag. Und doch knistert Spannung, Unausgesprochenes und Angedeutetes schwebt im Raum, auch ohne zunächst klare Benennung ist sofort klar: Julián wird sterben, Tomás’ nur vier Tage dauernder Besuch dient dem Abschied.

Zwei in ihrer Brillanz ebenbürtige Darsteller teilen sich fortan die Leinwand, auf der einen Seite agiert Ricardo Darín als Julián. Er pendelt, glaubt man den fünf Sterbephasen nach Elisabeth Kübler-Ross, irgendwo zwischen den finalen Stufen „Depression“ und „Akzeptanz“, allerdings auf ganz individuelle, kämpferische Art. Julián lehnt weitere Therapien ab, zu gering scheinen deren Erfolgsaussichten, ihm geht es um ein selbstbestimmtes Ende. Er fordert aber gleichzeitig auch die Umwelt heraus, zieht sich eben nicht zurück, konfrontiert andere Menschen mit seinem Schicksal, wenn diese wegschauen, und macht sich in der Buchhandlung lustig über einen Ratgeber namens „Der Tod. Ein Neubeginn.“ Konträr dazu übernimmt Javier „Tomás“ Cámara den Part des oft stillen Beobachters, aus ihm klingt außerdem die (bisweilen konsequent ignorierte) Stimme der Vernunft, er rückt selbst nach hinten, besetzt Reihe 2, baut sich dort schweigend auf, ein Fels in der Brandung und Juliáns Anker.

Parallel läßt Regisseur Cesc Gay keinerlei Larmoyanz zu, jeden Anflug von Tränendrüsigkeit erstickt sofort ein sarkastischer Spruch, verdeckt ein schwarzhumoriges Bild – schlicht zum Niederknien Juliáns Blick auf den Kalender des Onkologen, dessen derzeitiges Blatt Rembrandts Gemälde „Die Anatomie des Dr. Tulp“ ziert. Unaufdringlich hält solche Komik Marke Bitter die Waage im Lot, wenn falsches Mitgefühl nicht allein die beiden Protagonisten anwidert, oder es gilt, schwere Formalitäten zu regeln, gar Fehler einzugestehen. So begegnet Gay dem Tod zwar immer respektvoll und berührt durch herzzerreißende Szenen bis hin zum feuchten Auge, gleichzeitig widersetzt sich die Inszenierung aber depressivem Jammern – ein meisterliches Kunststück höchsten Erzähl- und Mimiktalents.

Bleibt die Frage offen, weshalb der Originaltitel konträr zum etwas arg deutlichen deutschen Pendant schlichte Eleganz bevorzugt, einfach TRUMAN lautet. Nun, so heißt Juliáns Hund, schon älter, nicht mehr perfekt zu Fuß bzw. Pfote, trotzdem die Liebe seines Lebens, Ersatz für den verschwundenen Sohn, die verlorene Frau. Truman soll es schön haben, ein neues Heim finden, bevor Juliáns Fürsorge zwangsweise erlischt. Ein einziges Mal weint der gestandene Mann – beim probeweisen Abgeben des Tieres an ein lesbisches Paar. Welche Lösung für den treuen Truman schließlich gefunden wird, was Julián dem Kameraden kurz vor der Abreise noch eröffnet, ob Cousine Paula ihre zweifellos helfend gemeinte, aber eben schon teilweise bevormundende Position zu Julián aufgibt, und weshalb es manchmal tatsächlich zwingende Argumente benötigt, um weiterleben zu wollen, das und ungleich mehr erfährt, wer das Kinoticket löst. Und vielleicht gleichzeitig die Chance nutzt, den eigenen Freundes- oder Partnerfels dazu einzuladen, ein wahres Erlebnis zu teilen und mal danke zu sagen. Guten Beispiels voran: danke, mein Großer.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...