D 2007, 98 min
Verleih: Kinowelt

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Katharina Schubert, Oliver Stokowski, Axel Prahl, Meret Becker

Regie: Neele Leana Vollmar

Kinostart: 18.09.08

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Friedliche Zeiten

Ein Zuviel an (N)Ostalgie

Wie hat wohl der Osten ausgesehen? Wie hat es sich angefühlt, dort zu leben? Um das zu besichtigen, schickt man Schulklassen in Museen, in denen echte HO-Einkaufsläden mit Tempoerbsen und alten Spee-Verpackungen aufgebaut worden. Daneben originale Ostwohnzimmer. Anscheinend ist Stephanie Schlienz, die sich hier für das Szenenbild verantwortlich zeichnet, etwas zu lange auf musealen Spuren gewandelt, denn die Welt der Hauptdarstellerin Irene Striesow geriet zur perfekten Ausstattung eines gut bestückten Second-Hand-Ladens.

Leider hat auch die Geschichte eine gute Portion des "Zuviel" abbekommen. Neele Leana Vollmar inszenierte nach der gleichnamigen Erzählung von Birgit Vanderbeke die Geschichte der Familie Striesow, die 1961 vom Osten in den Westen floh. Während Irene sich auch nach Jahren partout nicht heimisch fühlen kann und hinter jeder Ecke Gefahren für ihre drei Kinder Ute, Wasa und Flori wittert, möchte ihr Mann Dieter um die Häuser ziehen und endlich die Swinging Sixties genießen. Der Familienfrieden manifestiert sich an der "Kette", mit der Irene die Tür immer verschlossen wissen will, während Dieter allmählich Ausbruchsgelüste bekommt und sich dabei auch nach unkomplizierteren Frauen umschaut. Aus der Perspektive der Kinder wird der aufkeimende Familienkrieg zwischen der überbehütenden Mutter und dem Vater, der seine Frau einfach nur mal wieder lachen sehen möchte, erzählt. Eigentlich eine kleine, feine Geschichte, die vieles in sich birgt, das jenseits einer bestimmten Zeit Gültigkeit hat. Sollten doch Mütter ihren Kindern vermitteln, daß sie mit dem Leben klar kommen und die Verantwortung für sich tragen. Ist es sicherlich für alle, die in einer neuen Welt, einem noch fremden Leben ankommen müssen, schwer, sich dort heimisch zu fühlen, läßt doch jeder der geht, sehr viel zurück.

Vollmar läßt jedoch wenig Feingefühl walten und schafft ihren Charakteren keine Entwicklungsspielräume. Vieles wird in allzu aufgeregten Szenen zu schnell und atemlos abgehandelt. Dabei lassen sich Humor, Verzweiflung und Heimweh auch leiser zeigen. Eventuell hätte der Zuschauer sogar die erste lebensechte Tragikkomödie zu Gesicht bekommen, die jenseits von SONNENALLEE und GOOD BYE, LENIN eine einfache, aber herzerweichende Ost-Familiengeschichte erzählt. Doch leider wird man wieder mal das Gefühl nicht los, zwischen Spee und Tempoerbsen gelandet zu sein.

[ Susanne Schulz ]