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Generation Kunduz – Der Krieg der Anderen

Was, bitte, ist normal?

Die universelle Note in Martin Gerners Dokumentarfilm ist zugleich eine hochgradig ernüchternde: Das Leid der Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten der Welt, ihr zähes Ringen um ein wenig Normalität im Alltag, ihre Träume und Hoffnungen waren und sind am Ende überall gleich. Doch was, bitte, war und ist normal? Beispielsweise in Afghanistan, im Norden des Landes, in Kunduz, wo auch die Deutschen glauben, etwas ausrichten können zu müssen.

GENERATION KUNDUZ – DER KRIEG DER ANDEREN geht natürlich hinter das, was TV-Bilder und Nachrichten, selbst gute Essays in guten Zeitschriften leisten können. Regisseur Gerner hat seine innige Beziehung zu Land und Bewohnern für dieses leidenschaftliche Stück dokumentarisches Kino genutzt. Seit Jahren arbeitet der 45jährige ehemalige Deutschlandfunk-Journalist in Afghanistan als Entwicklungshelfer für eine neue Medienlandschaft. Das Risiko? Enorm. Die Gefahr? Latent vorhanden. Das Ergebnis? Sehr gelungen. Einem von Gerners Zitaten sollte man vorab einige Momente des Nachwirkens gönnen: „Wir müssen wieder lernen, den Bildern mit einem gesunden Mißtrauen zu begegnen.“

Es sind im weitesten Sinne Menschenporträts, fünf an der Zahl, repräsentativ und individuell zugleich. Da ist der 10jährige Schuhputzer Mirwais, der seine Gefühle fast außen vor läßt, wenn er über das Wohl und Wehe seiner Zukunft spricht. Ein seltsam (viel zu früh-)reifer Pragmatismus für ein Kind. Da ist die stolze Journalistin Nazanin, die für eine örtliche Radiostation arbeitet, obwohl „ ... meine Familie sagt, ich hätte keine schöne Stimme.“ Irgendwann steigt sie aus dem Film aus, ihr Verlobter mag nicht, daß sie einem fremden Geschlechtsgenossen Interviews gibt. Martin Gerner enthält sich auch hier eines Kommentars. Wie bei Wahlhelfer Hasib, der offen über Korruption spricht, über die Tatsache, daß Hilfsgelder fließen, aber alles teurer wird, daß die Taliban noch immer leichtes Spiel haben zu rekrutieren, vor allem im Umland von Kunduz.

Die intensivsten Minuten aber sind die persönlichen, und dort ist der „bunte Vogel“ Ghulam in seinen ebenso knalligen Hemden überraschend und gleichzeitig Beweis für unsere sehr einseitige, klischeebeladene Sicht auf Afghanistan. Denn der fesche Ghulam dreht einfach mal Unterhaltungsfilme. Er versucht es zumindest.

D 2011, 80 min
FSK 12
Verleih: Eigenverleih

Genre: Dokumentation

Regie: Martin Gerner

Kinostart: 15.03.12

[ Andreas Körner ]