Noch keine Bewertung

Genesis

Schöpfungsgeschichte als Bilderrausch

Es war wohl ein Glücksmoment der Naturdokumentation, als Claude Nuridsany und Marie Pérennou 1996 ihre wachsame Kamera auf den MIKROKOSMOS richteten. Mit faszinierenden Bildern und dem richtigen Gespür für Spannung hievten sie filmische Ausflüge ins Naturreich wieder heraus aus dem Exil der Nachmittagsunterhaltung im Fernsehen.

Acht Jahre später geht das Regieduo einen entscheidenden Schritt weiter und nimmt wagemutig die Schöpfungsgeschichte, genauer gesagt die Entstehung des Lebens, ins Visier. Das Unglaubliche gelingt - vor dem erstaunten Publikum entblättern sie Jahrmillionen gerafft in achtzig Minuten, vom Urknall über die Geburtsstunde der ersten Einzeller bis zum Schritt der Wassertiere aufs Land und die Evolution des Menschen im Mutterleib. Dabei geizen sie nicht mit Schauwerten, derartige Bilder hat man einfach noch nicht gesehen! Vor dem Zuschauerauge erglüht die Erde, ein Schlammspringer erkundet das Festland, und prähistorisch anmutende Meerechsen liefern sich erbitterte Kämpfe.

Die klar komponierten Bilder und fesselnden Szenen erreichen die überwältigende Intensität eines Spielfilmes. Mit leichter Hand streifen die Macher ausufernde Themenkreise wie Geburt, Liebeswerben und Verfall, ohne jemals den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Wie auch? Der gekonnte Kunstgriff von Nuridsany und Pérennou: ein Schamane hält die einzelnen Fäden des weit gespannten Handlungsgeflechts zusammen. Mit philosophischer und bildreicher Sprache reicht er dem Staunenden die Hand für eine unglaubliche Reise, liefert dem Neugierigen klare Zusammenhänge und bezaubert den Skeptiker mit dem Charme eines Märchenerzählers. Bruno Coulais, der Magier unter den französischen Filmkomponisten, untermalt das Märchen mit Gänsehaut-Musik.

Die wahrlich größte Leistung von Claude Nuridsany und Marie Pérennou ist jedoch, GENESIS als in sich geschlossenes Erlebnis zu gestalten. Unvollständig fühlt sich das Kinoereignis an keiner Stelle an, dennoch bleibt genügend Grübelstoff für Zuhause. Da kann man sich auch leisten, im Abspann neben einer Vielzahl von Getier auch Himmel, Erde, Ozeane und das Universum in der Besetzungsliste aufzuführen. Ein Geniestreich, den wir noch unseren Kindern ans Herz legen werden, so viel ist sicher.

Originaltitel: GENESIS

F 2004, 80 min
Verleih: Senator

Genre: Dokumentation, Natur

Stab:
Regie: Claude Nuridsany, Marie Pérennou
Drehbuch: Claude Nuridsany, Marie Pérennou
Kamera: Claude Nuridsany, Marie Pérennou

Kinostart: 14.10.04

[ Roman Klink ]