Österreich/D 2021, 116 min
FSK 16
Verleih: Piffl

Genre: Drama, Liebe, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Franz Rogowski, Georg Friedrich, Thomas Prenn

Regie: Sebastian Meise

Kinostart: 18.11.21

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Große Freiheit

Sehnsucht hinter Gittern

Er stand bis 1994 im Strafgesetzbuch: Der § 175, der über 123 Jahre lang Homosexualität kriminalisierte. Dieser Paragraph, er war geradezu deprimierend zählebig. War ein dauerndes Damoklesschwert für jeden, der seine Homosexualität ausleben wollte. Und das galt eben nicht nur in Kaiserreich oder Nazidiktatur, sondern etwa auch noch in den 60er Jahren.

Damals, als auch die Bundesrepublik sich aufmachte, liberaler und weltoffener zu werden, setzt die Handlung von Sebastian Meises Film GROSSE FREIHEIT ein. 1968, auf einem öffentlichen Herren-Pissoir. Dort schleppt Hans Kerle für schnellen, unverbindlichen Sex ab. Die Staatsmacht sieht ihm bei seinem Treiben zu. Mit einer heimlich installierten Schmalspurkamera. Deren Aufnahmen werden Hans zwei Jahre Gefängnis einbringen. Es ist nicht das erste und letzte Mal, daß er wegen seiner Homosexualität eingesperrt wird.

GROSSE FREIHEIT ist ein Knastfilm über ein Gefängnisleben. Hans führt dieses Gefängnisleben. Und das tut er genau deshalb, weil er sich die Freiheit eben nicht nehmen lassen will. Die Freiheit, das zu sein, was er ist. Schwul nämlich. Deshalb hatten schon die Nazis den Hans weggesperrt und ihn später auch die amerikanischen Besatzungssoldaten nicht freigelassen. Ein Lebensmotiv. Denn immer, wenn in den Folgejahrzehnten der Hans aus dem Knast rauskam, dann war er auch bald wieder drin. Dank § 175.

Doch ist GROSSE FREIHEIT nicht nur ein Knastfilm, sondern auch einer über eine Freundschaft, die vielleicht auch eine Liebe ist: Während Hans immer mal wieder in den Knast kommt, ist Viktor ständig dort. Die lange Haftstrafe für ein Gewaltverbrechen bringt das mit sich. Und auch wenn der Hans und der Viktor nicht unterschiedlicher sein könnten (inklusive ihrer sexuellen Ausrichtung), so ist da zugleich ein starkes Band zwischen den beiden, das über die Jahre und allen Widrigkeiten zum Trotz Bestand hat.

Das alles erzählt GROSSE FREIHEIT in schmucklosen Bildern. Still, intensiv und ganz auf Franz Rogowski (Hans) und den zwar akustisch weniger denn je zu verstehenden, gleichwohl aber wieder großartigen Georg Friedrich (Viktor) vertrauend.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.