D 2021, 101 min
FSK 12
Verleih: Tobis

Genre: Drama

Darsteller: Marlene Burow, Sabin Tambrea, Jördis Triebel, Claudia Michelsen

Regie: Aelrun Goette

Kinostart: 06.10.22

2 Bewertungen

In einem Land, das es nicht mehr gibt

Guten Morgen, Du Schöne

Es bleibt wunderlich mit uns längst Wiedervereinigten. Im Vorfeld einer Branchenmesse war im Gespräch mit westdeutschen Kinobetreibern zu vernehmen, daß kein so großes Interesse an Aelrun Goettes neuem Film besteht, so ein wenig Lustlosigkeit herrschte ob des Themas „DDR“, hingegen von manch’ Ostdeutschem nach der Sichtung zu erfahren war, daß vom Gezeigten vieles nicht „stimme.“ Und wie gefiel es den „Wessis“, die sich dann doch zum knapp zweistündigen Besuch in die Zone trauten? Sie waren begeistert!

Schwierige Kiste also, und um es kurz zu machen: Beide haben recht. Der Film ist stark, und manches mag auch nicht „stimmen“, schon allein, weil es das nicht muß. Es ist nämlich Kino! So richtiges Kino – mit Kraft, Empathie, Wut und Kampfgeist, genährt aus Goettes Biographie. Suzie fliegt kurz vor dem Abi von der Schule, sie hatte das falsche Buch in der Tasche, mit dem Literatur-Studium wird das also nix, sie muß in die Produktion. Als Zerspahnungsfacharbeiterin soll sie ihren Platz in der sozialistischen Gesellschaft finden, man sieht dem hochgewachsenen, hübschen Mädchen die Untauglichkeit für einen derartigen Rollenwechsel aus jeder Pore an. Doch selbst in der Planwirtschaft war Raum für den Zufall, ein aufmerksamer Fotograf erwischte Suzie in der vorbeifahrenden Straßenbahn, sie wird ihr Bild in der „Sybille“ entdecken und eine Modelkarriere anstreben. Das Aufwachen nimmt damit aber erst richtig Fahrt auf ...

Goette erzählt ohne Empörungsspeichel von einem Land, das es zum Glück nicht mehr gibt, in dem junge Menschen gebrochen wurden, in dem sich aber auch gottlob Widerstand breitmachte, selbst wenn dieser von den üblichen Verdächtigen unterwandert wurde. Sie überstrapaziert die Phrase vom Unrechtsstaat, der den Menschen auch Angst einjagen sollte, nicht, Goette kommt eben auch aus dem Jetzt, da würden allzu echauffierte Rückblicke automatisch hinken, sie bleibt gut beraten an den Personen und deren Erfahrungen: Suzie wird tollen Typen im Mode-Musik-Underground begegnen, sie wird die Liebe finden, sie wird aber auch auf Bonzen und Bücklinge stoßen und von Verlust erfahren. Und dabei im Wortsinn den aufrechten Gang lernen. Es ist ein toller Moment, wenn sie zum ersten Mal endlich lächelt – in diesen abenteuerlichen roten Pumps.

Dem Film glückt es, vom Balanceakt zwischen Ehrenrettung und Verrat zu erzählen, und diese zwischenzeilige Erkenntnis, wie schwierig Vertrauen doch sein kann, ist brandaktuell.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.