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Jäger des Augenblicks

Hoch geklettert, selten tief gedacht

Für Pascal rührt das Unglück der Menschen daher, daß sie nicht fähig sind, einfach in Ruhe im Zimmer zu bleiben. Daß sie nicht in der Lage sind, mit ihrer Nichtigkeit fertig zu werden. Ihnen gesetzte Grenzen überwinden müssen. Leistung bringend, Gipfel erklimmend. Letzteres im übertragenen und wörtlichen Sinne, denn vielleicht manifestiert sich diese menschliche Unfähigkeit und das, was sie auslöst, besonders klar im Typus des Alpinisten, des Kletterers, der klettert um des Kletterns willen. Der meint, den Berg rufen zu hören, aber eigentlich nur die Stille im Zimmer nicht erträgt.

Stefan Glowacz ist, so verkündet es das Presseheft zu JÄGER DES AUGENBLICKS, der „Superstar der Starkletterer-Szene.“ Der zeigte schon in Werner Herzogs SCHREI AUS STEIN (1991) eindrücklich, was er kann, und nicht nur, aber gerade auch mit Blick auf diesen Film entpuppt sich jetzt Philipp Manderlas Kletter-Doku als eine eher kleinhügelige Angelegenheit. Und das trotz eines großen Dramas, das sowohl als Stachel wie auch Kraftpunkt in JÄGER DES AUGENBLICKS arbeitet.

Der Tafelberg Roraima liegt im Dreiländer-eck Brasilien, Venezuela und Guyana, ist 2810 Meter hoch und als Kletterwand eine echte Herausforderung. Die suchen gemeinsam mit Stefan Glowacz noch Holger Heuber und Kurt Albert, allesamt versierte und erfahrene Bergsteiger. JÄGER DES AUGENBLICKS begleitet diese Männer, zeigt die Vorbereitungen der Expedition und diese selbst. Protokolliert das Scheitern und den erneuten Versuch, den Roraima zu erklimmen, blickt in kurzen Rückblicken auf die Karriere Glowaczs und muß sich schließlich mit einer Tragödie auseinandersetzen: dem tödlichen Kletterunfall Kurt Alberts.

Das Problem an JÄGER DES AUGENBLICKS ist, daß selbst in den berührenden, auch erhabenen Momenten, die der Film durchaus bietet, dieser es nicht vermag, die Aura einer sportiven Oberflächlichkeit abzustreifen. Man klettert hoch, aber man denkt nicht tief. Und gerade was Letzteres angeht, unterscheidet sich JÄGER DES AUGENBLICKS eben nicht nur von Herzogs Streifen. Ob Doku oder nicht: Bergsteiger-Filme, die guten, stellen immer auch die Frage, warum diese Typen „in die Wand“ müssen, wo sie doch auch im Zimmer hätten bleiben können. Sind existenzielle Dramen über Hybris und Demut, Reflexionen über das Glück, den Gipfel zu erklimmen und über das Unglück der Abstürze. An diese Qualitäten reicht JÄGER DES AUGENBLICKS leider nicht heran.

Österreich 2012, 102 min
FSK 6
Verleih: MFA

Genre: Dokumentation

Regie: Philipp Manderla

Kinostart: 25.04.13

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.