Originaltitel: Joe Gould’s Secret

USA 1999, 108 min
Verleih: Kinowelt

Genre: Drama

Darsteller: Ian Holm, Stanley Tucci, Susan Sarandon, Steve Martin

Regie: Stanley Tucci

Kinostart: 17.08.00

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Joe Goulds Geheimnis

Gefühlige Außenseitergeschichte

Der Zeitungsjournalist Joseph Mitchell lernt 1942 in einem New Yorker Café Joe Gould kennen und beschließt, über den kauzigen, alten Mann einen Artikel zu schreiben. Gould ist im Greenwich Village bekannt wie ein bunter Hund. In den Kneipen erbettelt er sich sein Essen, von Künstlern und Touristen läßt er sich durch Spenden für den "Joe-Gould-Fond" unterstützen. Zerlumpt, schmutzig und wild gestikulierend ist er belächelter Bürgerschreck, den man doch lieber gehen als kommen sieht. Unter der verwahrlosten Fassade verbirgt sich aber ein wacher Schriftstellergeist: Goulds Lebenswerk ist die Niederschrift der "mündlich überlieferten Geschichte unserer Zeit" - eine riesige Sammlung von in Schulhefte gekritzelten Gesprächsfetzen und Notizen, die er bei Freunden und Bekannten im ganzen Viertel verstreut deponiert hat.

Stanley Tucci geht in seiner nunmehr dritten Regieabeit keinerlei Risiko ein. Er weiß um die Faszinationskraft des New Yorks der 40er Jahre und läßt die legendäre Atmosphäre aus Künstlernostalgie, permanenter Geldnot und trockenen Martinis in Bauten, Musik und Beleuchtung wieder auferstehen. Tucci kennt auch das tragikomische Potential exzentrischer Persönlichkeiten, die ständig die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn überschreiten, und hat mit Ian Holm einen herausragenden Darsteller verpflichtet, der sowohl Goulds Lebensklugheit, als auch sein gefährlich überdimensioniertes Ego überzeugend umsetzt.

Aber aus diesen altbekannten Sujets entsteht nichts Neues. Zu durchsichtig ist das Muster, nach dem Tucci seine Außenseitergeschichte emotionalisiert: wenn Gould enttäuscht davontrottet, weil er nicht im Obdachlosenasyl übernachten darf, wenn die Partygäste grinsend über ihn tuscheln und er es mitbekommt, wenn Joe Mitchell sich mit schlechtem Gewissen verleugnen läßt, weil ihm die Anhänglichkeit des armen Poeten auf die Nerven fällt - dann darf man traurig werden. Mit diesem Gefühlscocktail aus Mitleid und Spitzweg hat man dem Film keinen Gefallen getan.

[ Sylvia Görke ]