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Karo und der liebe Gott

Erfrischend sympathisches Familienkino

Eben scheint die Welt der achtjährigen Karo noch in Ordnung. Ihre Erstkommunion wird gefeiert, und auf dem Rummelplatz geht es nach der Kirche hoch her. Die Eltern scherzen und turteln, der Papa gewinnt der Mama am Schießstand ein Lebkuchenherz, und mit dem Kettenkarussell erhebt sich das übermütige Trio in die Lüfte. Doch Karo fällt bald aus allen Wolken - die Eltern trennen sich! Vom Eigenheim im idyllischen Vorort geht’s mit Mama in eine Mietwohnung und zum Papa gelegentlich auf Besuch.

Doch Karo wäre nicht sie selbst, würde sie die Hoffnung auf Wiedervereinigung der Familie so schnell aufgeben. Und zum Glück gibt es den lieben Gott, der sie zwar lange zappeln läßt, doch eines Tages, gerade beginnt Karo damit, ihn zu verfluchen, meldet er sich per Walkie-Talkie. Zunächst etwas brummelig, scheint er sich doch zunehmend für die Probleme des kleinen Mädchens zu erwärmen und steht ihr mit seinem Rat zur Seite. Karo entdeckt zudem, daß Gott gar nicht im Himmel, sondern in einer Nachbarwohnung lebt. Daß er komisch aussieht, seine Klamotten merkwürdig riechen und er wohl zuviel Alkohol trinkt, stört Karo wenig, und bald treffen sich die beiden regelmäßig in Sachen Familienzusammenführung. Aber Papa hat sich inzwischen trotz des göttlichen Beistands eine "Schnöpfe" angelacht, und bei Mama taucht ein Typ auf, der ausschaut wie ein Kellner. Ganz scheint es, als müsse Karo zu radikaleren Maßnahmen greifen É

Danielle Proskars Kinodebüt (nach eigenem Buch) widmet sich unverkrampft und einfühlsam zugleich dem Thema Trennungskinder und folgt konsequent deren Perspektive. Haltung und Handlungen der jungen Protagonistin - trotzige Verweigerung, die Suche nach neuem Anschluß und raffiniert ausgeheckte Pläne - sind lustig erzählt und entsprechen dem jungen Zielpublikum. Die erwachsen Zuschauer werden vor allem das natürliche Spiel der kleinen Nachwuchsschauspielerin Resi Reiner goutieren, welches mit dem des erfahrenen Burgtheater-Mimen Branko Samarovski in der Rolle Gottes bestens harmonisiert. Im Kern behandelt Proskars Geschichte die zunächst zaghafte Annäherung dieser beiden Figuren, welche sich bald zu einer unerschütterlichen Freundschaft entwickelt, für Karo ein wenig Lebensweisheit mit sich bringt und den lieben Gott ein wenig erdet.

Bleibt zu hoffen, daß das Publikum den unabdingbaren, herrlich grantigen Wiener Dialekt meistert. Ohne die Portion Wiener Schmäh wäre das Vergnügen nur ein halbes.

Österreich 2006, 94 min
Verleih: alpha medienkontor

Genre: Kinderfilm, Literaturverfilmung

Darsteller: Resi Reiner, Petra Morzé, Markus Gertgen, Branko Samarovski

Stab:
Regie: Danielle Proskar
Drehbuch: Danielle Proskar

Kinostart: 05.06.08

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.