Originaltitel: KINSEY

USA/D 2004, 118 min
Verleih: Fox

Genre: Biographie, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Liam Neeson, Laura Linney, Chris O’Donnell, Peter Sarsgaard, Timothy Hutton, Tim Curry, Lynn Redgrave

Stab:
Regie: Bill Condon
Drehbuch: Bill Condon

Kinostart: 24.03.05

Noch keine Bewertung

Kinsey

Let’s Talk About Sex

USA, irgendwann in den 40er Jahren. Man weiß nicht nur, daß der Reißverschluß leichteren Zugang zur Verderbtheit des Menschen gewährt; auch die Gefahren der Masturbation sind umfassend erforscht. Schon viele junge Leute verfielen während der Selbstbefriedigung in Schwachsinn oder Epilepsie, wurden blind oder starben gar. Sagt zumindest die Wissenschaft und vergleicht die Lust mit einer Hydra: 1000 Köpfe und mehr sind im Kampf gegen das Verlangen abzuschlagen. Es regiert die Angst vor dem eigenen Körper.

Alfred C. Kinsey, als Kind selbst unter seinem verklemmten Vater leidend und entsprechend zum Freigeist herangewachsen, hat davon die Nase voll. So nimmt er das Intimleben der Bevölkerung in die Hand (respektive: unter die Lupe), führt unzählige Interviews zum Thema und erschüttert schließlich mit dem Bestseller "Das sexuelle Verhalten des Mannes" die bigotte Gesellschaft. Doch er unterschätzt die Macht des konservativen Amerika ...

Sechs Jahre nach GODS AND MONSTERS meldet sich Regisseur Bill Condon nun zurück – und bekam selbst die US-Prüderie in Form eines R-Ratings (also quasi ab 18) für KINSEY zu spüren. Natürlich nimmt sein Werk kein Blatt vor den Mund, sondern ist erstaunlich offen im Umgang mit humanen Trieben. Doch nichtsdestotrotz bleibt es immer dezent und subtil, weswegen sich Voyeure – ungeachtet einer einzigen sehr graphischen Szene – das Eintrittsgeld lieber sparen sollten. Vielmehr wühlt sich Kinsey im Zuge seiner Forschungen quer durch Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten. Die dabei oft gehörte Frage "Bin ich normal?" dürfte auch heute noch für nicht wenige Menschen keine abwegige sein. Daß Regie und Buch darauf immer mit einem klaren "Ja!" antworten, ohne belehrende Tendenzen zu zeigen, macht KINSEY endgültig zum zeitlosen Film.

Nur im Finale verwirren sich die Handlungsfäden ein wenig: Da wiederholt Liam Neeson die aus SCHINDLERS LISTE bekannte, maßlos überzogene "Ich bin so ein schlechter Mensch!"-Performance, und die Inszenierung versackt allgemein im Theatralischen. Aber weil Condon seiner gewohnt grandiosen Lieblingsschauspielerin Lynn Redgrave eine Mini-Rolle in den ganzen emotionalen Wust geschrieben hat, wird man dann doch wieder versöhnt.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...