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Kußwechsel

Abschied von einem Filmland

Belastbar sei der Rezensent, duldsam und gerecht. Blind und taub ist man geneigt hinzuzufügen, nur um der niederschmetternden Staubigkeit dieses Films zu entkommen. Höflich ausgedrückt: KUSSWECHSEL ist nicht mehr als zu vernachlässigendes Kino aus der Mottenkiste. Undiplomatischer: KUSSWECHSEL ist ein peinliches Machwerk für all jene, die es in jeder Hinsicht gestrig mögen. Man ist nach knapp zwei Stunden regelrecht erschlagen von der Tumbheit, von diesem geradezu reaktionären Frauenbild und der hirn- und ironiefreien Karikatur des gemeinen Mannes. Klar, man könnte Filme wie diesen einfach so durchwinken – wären nicht ein paar Millionen Italiener ins Kino gerannt.

Überhaupt Italien – als Filmland Geschichte, auch weil vorbei und so, aber die Figuren in diesem hanebüchen auf der Klaviatur der Banalität klimpernden Streifen chargieren von der Leinwand, als kämen sie eben nicht aus diesem an sich schönen Land, als hätte es die alten Meister nie gegeben, von Pasta, Roma und Cappuccino mal ganz zu schweigen. Es ist ein regelrecht kulturloser Film geworden, und so gibt sich dessen Personal: Pausenlos wird gebrüllt, jeder müde Scherz erbarmungslos angekündigt und die Lachanleitung gleich hinterhergeschoben, und immerzu wird mit den Augen gerollt, mit den Armen gefuchtelt und von Amore gesabbelt.

Es geht einmal mehr um die Differenzen zwischen Mann und Frau, zwei Wesen aus dem Fabelreich, die nicht füreinander gemacht scheinen. Und so nutzt Anna die Gunst der Stunde, um aus ihrem Ehemann quasi post-traumatisch den Göttergatten zu backen, da dieser nach einem kleinen Chauvi-Unfall unter Amnesie leidet und nun mit Fußball, Kneipe und Machoallüren aufräumen soll: Essen kochen, Proust lesen, Mozart klimpern, leidenschaftlich lieben und Blusen bügeln sind nun angesagt. Witzig! Noch lustiger wird es, im Gewand einer knöcheltiefen Gefühlsattacke, als die schwerkranke Mutter eines Schönheitschirurgen nur den einen Wunsch hat, mit der Familie ihres Traumsohnes die letzten Tage zu verbringen. Blöd nur, daß Paolo längst von seiner Frau getrennt lebt. Deshalb also werden Fotos weggehangen, Urlaubsvideos nachgedreht, allerhand auf den Kopf gestellt – auch hier ist unbedingtes Bauchhalten gewollt.

Weil das Ganze an Piefigkeit noch nicht genug schien, dürfen weitere Vertreter des sich stark glaubenden Geschlechts auch noch Teil einer Beatles-Coverband sein. Wer deren Auftritt kurz vor Schluß nicht verpennt oder zum Wutkotzen im Bad ist, wird auch noch Zeuge einer brachialen Versöhnungsarie, die dennoch im Fazit gipfelt: Frauen sind eben doch dominante Monster und Männer schwanzgesteuerte Kindsköpfe. Schön, daß manches so einfach ist.

Originaltitel: FEMMINE CONTRO MASCHI

I 2011, 113 min
FSK 0
Verleih: Senator

Genre: Klamotte

Darsteller: Claudio Bisio, Nancy Brilli, Alessandro Preziosi

Regie: Fausto Brizzi

Kinostart: 09.06.11

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.