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Let Me In

Ausnahme von der Regel – ein gelungenes Remake aus Hollywood

Es war zu erwarten, daß Hollywood über kurz oder lang sich jenes schwedischen Horror-Kleinods annehmen würde, das 2009 unter dem Titel SO FINSTER DIE NACHT im Grunde kaum weniger bewerkstelligte, als dem Vampir-Genre ganz gehörig den muffigen Gruftgeruch auszutreiben. Soll heißen: es zu revolutionieren. Jetzt ist es also so weit. LET ME IN ist das erwartete/befürchtete Remake. Das führt von den Betonklötzen der schwedischen Sozialbausiedlung in einen Appartementkomplex im winterlich kalten Los Alamos/New Mexico. Owen heißt hier der introvertierte 12jährige, dieser stille, von den Mitschülern schikanierte Teenager. Ein Außenseiter mit traurigen Augen, bleichen Wangen und sporadischen Haßausbrüchen. Ein Vereinsamter, der eines Nachts auf dem Spielplatz dieses rätselhafte Mädchen trifft. Die stellt sich als Abby vor und ist, zumindest dem Anschein nach, so alt wie Owen, den sie bald nicht nur damit fasziniert, daß sie in Eiseskälte ungerührt barfüßig durch die Nacht schreitet. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, einer zarten Liebe – und eines verdammt blutigen Bundes.

Und was nicht wirklich zu erwarten war, traf ein: LET ME IN ist ein gelungenes Remake. Weil Drehbuchautor und Regisseur Matt Reeves, das spürt man vom ersten, düsteren Moment seiner Adaption, diesen Stoff wirklich liebt. Und um ob dieses Umstandes nicht wie ein blinder Imitator am Original zu kleben, machte Reeves etwas sehr Cleveres – er erzählt ein Es-war-einmal-Märchen. Er verlagert die Handlung in die 80er Jahre, in die Zeit der Reagan-Ära, die gottesfürchtig, karrieristisch, kaltschnäuzig und bigott in einem war. Eine perfekte Horror-Kulisse.

Sich vom Original zu entfernen, um ihm zugleich, bis in manche fast liebevoll zitierte Kameraeinstellung, treu zu bleiben – das ist Reeves gelungen. Daß er dabei der Versuchung nicht wiederstehen konnte, das Grauen in der Unschuldigkeit Abbys auch optisch mit etwas mehr Schock-Effekt auszureizen, mag dabei nur Puristen ärgern. Wie auch, daß der erzählerisch zeitliche Schritt zurück zwangsläufig auf Kosten jener genauen sozialen Gegenwartsgrundierung geht, die dem Original irritierenden Realismus verlieh. Da ist LET ME IN sicher konventioneller geraten. Und dennoch ein fesselndes Stück Alptraum geworden. Ein stimmungsvolles, morbides, blutiges Märchen aus ja gar nicht allzu vergangenen Tagen.

Originaltitel: LET ME IN

USA 2010, 117 min
Verleih: Wild Bunch

Genre: Horror, Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Kodi Smit-McPhee, Chloe Moretz, Richard Jenkins

Regie: Matt Reeves

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.