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My Week With Marilyn

Hinreißend erzählte und brillant besetzte Diskretionsverletzung

Wenn sie „When Love Goes Wrong ...“ anstimmt, wenn man in ihr Gesicht, auf ihre Pose schaut, während sie fortführt „ ... Then Nothing Goes Right“, dann weiß man sofort wieder, warum aus Norma Jeane Baker der vielleicht größte Filmstar der Welt werden mußte. Der traurigste wohl auch, denn die Geschichte von Marilyn Monroe ist auch eine der Verkennung. Klar, sie war auch die Sexbombe, sie war auch immer wieder das Blondchen, aber eben nicht nur. Sie wußte sehr genau, wann sie die MM geben sollte. Auch davon wird in diesem hinreißenden Film erzählt, wenn Marilyn mit dem Regieassistenten Colin Clark, der hier die Klatschbase gibt, mal wieder ausbüxt, um das Leben zu spüren, vor dem man die Monroe zu gern behütete.

Colin Clark ist 23, er bewirbt sich um einen Job beim Film, er will seinen Helden nahe sein, als da wären: Orson Welles, Alfred Hitchcock, Laurence Olivier ... Bei Letzterem soll dies gelingen. Colin drängelt sich ein wenig nach vorn, um für den Film DER PRINZ UND DIE TÄNZERIN angeheuert zu werden. Den Test besteht er, als er in Windeseile die Nummer eines gewissen Noel Coward ausfindig macht. Der arrogante und leicht tuntige Olivier ist beeindruckt, Colin daraufhin engagiert. Der Junge ist begeistert, und als schließlich La Monroe die Gateway heruntersteigt, mit straffer Brust, perfektem Haar und großer Sonnenbrille, ist es um den sommersprossigen Knaben geschehen. Als es am Set zu den legendären Ausfällen kommt, Marilyn sich verbarrikadiert und nur Colin in ihre Nähe läßt, dann weiß man, wie Monroes manipulative, schwach gehauchte Frage von dem Jungen beantwortet wird: „Colin, auf wessen Seite stehen Sie?“

Dieser Film gewordene Bericht ist natürlich eine unheimliche Diskretionsverletzung, die der Pensionär Colin Clark mit seinem Erinnerungsklatsch „The Prince, The Showgirl And Me“ beging, aber was soll’s, wer kann es ihm verdenken, und seien wir doch ehrlich: Wer von uns heutzutage würde in tiefes Schweigen verfallen, wenn einen, sagen wir, je nach Gusto Monica Bellucci oder George Clooney aufs Laken lockte? Na also ... Und die Geschichte um eine Liebelei zwischen einem Superstar und einem Nobody hat per se etwas schlicht Berückendes, sie verschafft zudem Einblick in ein Kapitel Filmgeschichte und hier gar in die Seele einer Lichtgestalt des Kinos. Durch das feine Spiel Michelle Williams’ wird deutlich, wie zerrissen und wie liebeshungrig, wie einsam und wie depressiv, wie unsicher und launisch die Monroe doch war. Und zu welch’ kindischer Freude fähig: „Das macht Spaß, das ist ein Fluchtwagen!“ kommentiert sie geradezu diebisch vergnügt, als sie dem Set entwischt. Der Film besticht durch das pointierte Spiel seiner Darsteller, allen voran eben Michelle Williams und der geradezu grandiose Kenneth Branagh als Laurence Olivier. Durch den detailgenauen Blick auf eine Epoche, auf eine der schönsten Künste und durch dieses aus dem Nukleusherauszählen gelingt, was all den Features, den unzähligen Büchern und teils schnödem Gossip über die Monroe nicht gelingen konnte: MY WEEK WITH MARILYN vermittelt spürbar, wie MM wirklich war, und warum sie so war!

Wer das Kino liebt, also wer es tatsächlich liebt und nicht nur so lala und eben ganz nett findet, der wird, der muß auch diesen Film lieben, auch weil er nicht weniger ist als eine spannende Introspektive ins Leben des größten Kinostars, den es je gab und vermutlich geben wird.

Originaltitel: MY WEEK WITH MARILYN

GB/USA 2011, 99 min
FSK 6
Verleih: Ascot

Genre: Biographie, Drama

Darsteller: Michelle Williams, Kenneth Branagh, Eddie Redmayne, Judi Dench, Emma Watson

Regie: Simon Curtis

Kinostart: 19.04.12

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.