Originaltitel: FRUITVALE STATION

USA 2013, 85 min
FSK 12
Verleih: DCM

Genre: Drama

Darsteller: Michael B. Jordan, Melanie Diaz, Octavia Spencer

Regie: Ryan Coogler

Kinostart: 01.05.14

8 Bewertungen

Nächster Halt: Fruitvale Station

Meisterlicher Film über rassistisch motivierte Polizeigewalt in den USA

Am Silvestermorgen 2008 wurde in Oakland, Kalifornien ein junger Mann auf dem Bahnhof „Fruitvale Station“ von einem Polizisten in den Rücken geschossen. Wenige Stunden später starb er im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Oscar Grant war 22 Jahre alt, unbewaffnet und Vater einer 4jährigen Tochter. In den USA führte die Nachricht, daß ein junger Farbiger von einem weißen Polizisten erschossen worden war, landesweit zu Protesten und Demonstrationen. Auch der Filmstudent Ryan Coogler schloß sich ihnen an. Coogler war auch 22 Jahre alt, und die Video-Aufnahmen von Passanten, die die Tat gefilmt hatten, ließen ihn nicht mehr los. Er begann, aus dem realen Fall ein Drehbuch zu entwickeln. Ein paar Jahre später lernte er den bekannten Schauspieler Forest Whitaker kennen, und gemeinsam beschlossen sie, Oscar Grants Geschichte zu erzählen. NÄCHSTER HALT: FRUITVALE STATION wurde 2013 auf dem Sundance Festival sowohl mit dem Regie- als auch mit dem Publikumspreis bedacht.

Ein Grund dafür sind ohne Zweifel die hervorragenden Darsteller, die Coogler gewinnen konnte, allen voran der Shooting-Star Michael B. Jordan, der Oscar als sympathischen, aber orientierungslosen Slacker gibt, der seine Freundin Sophina mit seinen Drogengeschäften und Frauengeschichten in den Wahnsinn treibt. Über allen thront die wunderbare OSCAR-Preisträgerin Octavia Spencer als Grants Mutter, die mit ihren unumstößlichen Werten und ihrem großen Herz die Familie zusammenhält.

Obwohl Coogler sich ganz auf seine wunderbaren Darsteller verläßt, erinnert er die Zuschauer mit verschiedenen stilistischen Mitteln immer wieder daran, daß hier eine wahre Geschichte erzählt wird. So rahmt er die gesamte Spielhandlung mit dokumentarischen Aufnahmen und steigt in den Film mit den dramatischen Amateurvideos ein, auf denen man sieht, wie Oscar erschossen wird. Obwohl diese Exposition eigentlich jede Form des Suspense zerstören muß (es kann kein Zweifel daran bestehen, wie die Geschichte enden wird), bleibt man auf wundersame Weise trotzdem gepackt bis zur letzten Minute und hofft sogar darauf, daß sich der Gang der Dinge doch auf ebenso wundersame Weise ändern möge. Glücklicherweise widersteht der Film der Versuchung, Oscar zum fehlerlosen Helden zu stilisieren. Cooglers Oscar flucht, scheut keine Notlüge und erscheint eher pubertär denn erwachsen. Eben ein ganz normaler 22jähriger, der mit seiner Vergangenheit kämpft und um seine Zukunft ringt und plötzlich ohne Vorwarnung aus dem Leben gerissen wurde.

Durch seinen Tod wurde aus Oscar Grant eine Nachricht, die das Land elektrisierte. Spätestens mit diesem Film wird sein Name in einer Reihe mit denen von Rodney King und Trayvon Martin genannt werden. Es ist Ryan Coogler hoch anzurechnen, daß er in seiner Erzählung die Tatsache, daß Oscar zur falschen Zeit am falschen Ort war, genauso deutlich macht, wie er zeigt, daß rassistische Strukturen und Einstellungen im US-amerikanischen Alltag vorhanden sind.

Zufall hin oder her: Oscar Grant wurde zum Opfer einer Gesellschaft, in der Rassismus immer noch erschreckend gegenwärtig ist. NÄCHSTER HALT: FRUITVALE STATION gelingt es, mit einem genauen Blick auf ein Einzelschicksal eine erschreckende Aussage über den Zustand eines Landes zu machen, ohne dabei in Schwarz-WeißMalerei zu verfallen.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.