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Northern Star

Von der Traurigkeit des flachen Landes

Wenn ihre Mutter sie etwas fragt, sind Ankes Antworten kurz, sie sind ruppig, und sie sind vor allem verächtlich. Viel mehr als Verachtung kann sie ihrer Mutter, der sie ins Gesicht schreit, daß sie einfach nur Scheiße sei, nicht entgegenbringen, eine Aversion, die sich vor allem aus Wut und Verzweiflung nährt.

Die 18jährige gibt ihr die Schuld am Freitod des Vaters. Ihre Mutter hatte ein Verhältnis, und der Vater ging vor den Augen der kleinen Anke ins Meer. Jetzt, nach einem echten Zoff, bleibt ihr nur mal wieder die Flucht, raus aus diesem Kaff, oben im Wattland, wo die Sprache knapp, die Landschaft flach und die Herzen manchmal besonders dunkel sind. Doch Ulf, der etwas Ältere, zu dem sie Vertrauen faßt, sagt: "Weg lohnt sich nur, wenn man ein Ziel hat". Malta könnte eins sein, und Ulf hat ein Boot. Obwohl Anke Opfer bringt, in dem sie sich abhängig macht und sogar ihren geliebten Hund vergiftet, weil er nicht mit aufs Boot kann, glaubt sie wohl von Beginn an nicht so richtig ans Wegkommen. Des Mädchens Instinkte hat die Angst geschärft.

Diese Anke wird von Julia Hummer gespielt, eines der hoffnungsvollsten, unprätentiösesten Talente, die wir haben. Sie spielt sie mit einer traurigen Dreistigkeit, gibt ihrer trotzköpfigen Figur exakt diese Art warme Intelligenz, wie sie nur die Straße gebiert. Vielleicht hat Anke schon vieles, möglicherweise alles gesehen, und Julia vielleicht auch. Felix Randau erzählt schnörkellos, nüchtern, konzentriert und ohne die bei Debütanten ansonsten so beliebten formalen Mätzchen von einer Seele, deren Narben immer wieder aufzureißen drohen, einem Menschen, der Allzumenschliches am liebsten unter übergroßen Pullovern verstecken will, einem Mädchen, welches zur erwachsenen Frau und all den damit verknüpften Erwartungen nicht taugen will.

Und Julia Hummer, diese verschlossen wirkende Ausnahmemimin, gibt ihr ein Gesicht, welches das Lachen erst wieder finden muß. Nur einmal zeigt es sich: im Arbeitszimmer von Ulfs verstorbenem Vater. Bei einem wüsten Akt der Zerstörung.

D 2004, 81 min
Verleih: Timebandits

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Julia Hummer, Denis Moschitto, Lena Stolze, Peter Kurth

Regie: Felix Randau

Kinostart: 10.02.05

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.