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Offene Fenster, offene Türen

Schwestern allein zu Haus

Es ist heiß. Zeit für eine DVD. Violeta ruft in der Videothek an und bestellt für sich und ihre beiden älteren Schwestern „etwas Leichtes.“ Eine Komödie? Ja, gern! Einheimisches? „Nein! Bitte keinen argentinischen Film!“ Da hat Regisseurin Milágros Mumenthaler aber wirklich geschickt einen Seitenhieb auf die Filmindustrie ihrer Heimat untergebracht. Chapeau! Anzunehmen, daß sie sich gewünscht hat, die Landsleute hätten sich OFFENE FENSTER, OFFENE TÜREN angesehen. Eine Komödie ist es zwar nicht, etwas feinporig Luftiges hat ihr Werk trotzdem.

Violeta, Sofia und Marina entfernen sich die Beinhaare, als seien sie zusätzlicher Ballast am Körper. Buenos Aires kocht. Die Schwestern laufen im Slip oder leichten Kleidchen durch die Wohnung und wirken genervt. Von den Temperaturen, von sich selbst. Inszeniert werden sie wie aufreizende Grazien. Auch das ist ein feiner Schachzug der Regisseurin, gibt sie ihnen zeitig noch alle Möglichkeiten.

Die 99 Minuten spielen, bis auf sparsame Außenaufnahmen von der nahen Straße und dem Hof, in Zimmern oder der Garage. Argentiniens Hauptstadt ist nur eine ferne, brodelnde Ahnung, während man im geschlossenen Mikrokosmos den jungen Damen aufs Tagwerk schaut. Anfangs könnten sie nur Freundinnen sein oder angezickte Bewohnerinnen einer WG. Das mit der blutsverwandten Offenbarung braucht seine Zeit. Nur versteckte Hinweise kommen, ein Telefonat etwa, in dem Marina der Stimme am anderen Ende den Tod der Großmutter annonciert. Verstaute Gegenstände „gehörten den Eltern.“ Ein Unfall in der nahen oder fernen Vergangenheit liegt nahe. Doch nichts Genaues weiß man nicht, wird es nicht erfahren und will es gar nicht wissen. Weil sich OFFENE FENSTER, OFFENE TÜREN – ein wunderbarer Titel ist’s – ganz dem Beobachten hingibt. Details erfaßt die Kamera wie Gemälde mit Stilleben, nackte oder wenig bekleidete Körper eingeschlossen.

Zwischen Herumlungern, Frotzeleien und gestörten Abläufen wird der Zuschauer zum heimlichen Mitglied dieser kleinen Familie, ist dabei, wenn sich der schöne Nachbarsjunge sichtlich der Zuneigung aller drei Mädchen erfreut, wenn Kleider, Blusen und Songs ihre sehr eigene Bedeutung verraten, und schließlich der plötzliche Weggang von Violeta gänzlich neue Konstellationen bringt. Die Hitze läßt nicht nach, ganz gleich, welche kalten Schauer diesen schönen Rücken herunterlaufen mögen.

Originaltitel: ABRIR PUERTAS Y VENTANAS

CH 2011, 99 min
Verleih: One

Genre: Drama, Poesie, Erotik

Darsteller: Martina Juncadella, Ailìn Salas, Maria Canale

Regie: Milágros Mumenthaler

Kinostart: 25.09.14

[ Andreas Körner ]