Originaltitel: LA PARANZA DEI BAMBINI

I 2019, 112 min
FSK 16
Verleih: Prokino

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Francesco Di Napoli, Viviana Aprea, Ar Tem

Regie: Claudio Giovannesi

Kinostart: 22.08.19

2 Bewertungen

Paranza – Der Clan der Kinder

Verbrechen will gelernt sein

Genug all der kitschigen Reden von der Familienehre und der geheimen Treffen in verrauchten Hinterzimmern! Die wahre Mafiaarbeit erscheint in diesem Film ebenso banal wie erschreckend. Kriminalität ist längst aus dem Untergrund verschwunden, wird auf offener Straße ausgetragen.

Das verdeutlicht PARANZA bereits mit den regelmäßigen Schutzgeldern, die die Mutter des jungen Protagonisten Nicola wie selbstverständlich an die Camorra zahlt – nur einige der vielen fassungslos machenden Momente in dieser Milieustudie, bei der einem angst und bange werden kann. In Neapel herrscht das Recht des Stärkeren, Machtdemonstrationen der Clans stehen an der Tagesordnung. Der Clou: Hier hat man es nicht mit abgebrühten Mafiabossen zu tun, sondern mit Kindern, die in dieses verseuchte Umfeld hineinwachsen – Alltag in Italien. Ein Schweigebruch, den es so im Kino noch nicht zu sehen gab. Wir haben die Männer, ihr habt die Waffen. Mit erst 15 Jahren lernt Nicola schnell, mit den Mächtigen zu verhandeln. Kurz darauf sind er und seine Clique mit Gewehren ausgerüstet – bereit zur Machtübernahme.

PARANZA unterläuft vieles, was man aus dem Genrekino über die Mafia gewohnt ist. Kaum Action, keine reißerischen Twists, dafür düsteres, fast dokumentarisches Jugendporträt. Diese Nachwuchs-Gangster zeigt der Film als Opfer eines Systems, in dem Statussymbole alles bedeuten, auch wenn man mit dem plötzlichen Reichtum gar nicht umgehen kann. Das schnelle Geld verführt zum Verbrechen, die Erwachsenen schauen nur machtlos zu. Wie man Waffen bedient, lehrt YouTube. Doch im entscheidenden Moment: verflixte Ladehemmung! Wäre fast komisch, wenn es nicht so verstörend wäre. Und dann diese vielsagenden Blicke der jungen Laiendarsteller, die der Film mit seiner agilen Kameraarbeit immer wieder so bemerkenswert einfängt! Diese Gefühlsleere nach dem ersten Mord, nach dem Verlust der Unschuld. Das glänzt durch eine ungeheure Authentizität dank der journalistischen Arbeit von Autor Roberto Saviano, der seit seinen Camorra-Enthüllungen Personenschutz braucht.

Es ist nur ein kleiner Bildausschnitt, den es hier zu sehen gibt, und doch läßt er das große Ganze umso düsterer erscheinen. Das hat in seiner Unaufgeregtheit teilweise seine Längen, und doch bleibt da dieses beklemmende Gefühl zurück. Der eigentliche Schrecken steht am Ende von PARANZA erst noch bevor.

[ Janick Nolting ]