Originaltitel: BONJOUR ANNE

USA 2016, 92 min
FSK 0
Verleih: Tobis

Genre: Tragikomödie, Roadmovie, Poesie

Darsteller: Diane Lane, Arnaud Viard, Alec Baldwin

Stab:
Regie: Eleanor Coppola
Drehbuch: Eleanor Coppola

Kinostart: 13.07.17

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Paris kann warten

Reise zum Ich als elegante Serpentinenfahrt

Was macht die Frau eines legendären Regisseurs, wenn sie irgendwann 80 Lenze zählt? Beim Charity-Bingo dämmern? Im Heimkino ununterbrochen die größten Erfolge des Gatten bewundern? Kleine Mützen für die insgesamt fünf OSCARS des Genies häkeln? Eleanor Coppola verzichtete, gab lieber ihr Spielfilmdebüt in Regie und Buch – und hat da scheinbar in Teilen auch über fünf Jahrzehnte Ehe verarbeitet. Ist Diane Lane, mit 50 berückender denn je, also nicht nur die derzeit durch Ohrenschmerzen geplagte Protagonistin Anne, sondern gleichzeitig Eleanor? Und Annes Mann Michael, Filmproduzent und seine bessere Hälfte eher als Schmuckstück betrachtend, ergo Francis Ford Coppola? Könnte sein, wäre ein zusätzlicher Motor der Geschichte.

Jene findet, wie erwähnt, Anne kränkelnd vor, weswegen die geplante Reise von Cannes nach Budapest ausfallen muß, Michael fährt allein, setzt die Ningelnde ins Auto des Geschäftspartners Jacques und gibt den Startschuß Richtung Paris, dauert ja bloß kurze Zeit. Theoretisch zumindest, praktisch nimmt Jacques alle denkbaren Umwege und hält an jeder Sehenswürdigkeit; Stunden dehnen sich zu Tagen.

Viel mehr passiert oberflächlich betrachtet nicht: ein Franzose, eine Amerikanerin, ein Wagen, ein Roadtrip, viiieeele Zwischenstops. Doch der Weg ist ohne Einschränkung das Ziel, während Anne natürlich die schwierigste bekannte Expedition unternimmt, die zum eigenen Ich nämlich. Wobei Coppola unablässig sich bietende Schönheit aufgreift, endlose Lavendelfelder in der Sonne ruhen läßt, altes Gemäuer zu gemäldeartigen Kunstwerken verzaubert, selbst der Unart des fotografierten Essens grandiose Ergebnisse abringt. Und trotzdem ihre Inhalte nirgends aus dem Zentrum rutschen läßt.

Zwischen superben Visualisierungen knistern Stimmungen, flackern Blicke, dienen Nebensätze der Auslotung psychischer Fallhöhen. Thematisiert Anne schließlich David, mag dies ein irritierender Bruch solcher Zurückhaltung sein. Indes lautet die darunter schwelende Frage: Wem konnte sie vorher davon berichten? Michael? Ausgeschlossen. Aber nun Jacques.

Coppolas Erzählweise erlaubt eine elegante, auf verschiedenen Ebenen kulinarische, nie plumpe feminine Entblätterung, deren finales, an uns gerichtetes Bild wie eine Verschwörung des Triumvirats Diane/Anne/Eleanor daherkommt. Und dem eh längst eingebundenen Zuschauer ein Lächeln für den Heimweg schenkt.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...