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Paris um jeden Preis

Auf High Heels nach Nordafrika

Ja, Liebe kennt keine Grenzen. Denn dieser amüsante und durchaus berührende Film ist auch eine unverhohlene Liebeserklärung an eine mit zu Klischees gewordenen Erwartungen überfrachtete Stadt, der noch nicht einmal horrende Mieten und überteuerte Restaurants, die perfide Gentrifizierung oder heftigster Smog am Lack kratzen können. Doch der Reihe nach, denn Reem Khericis Regiedebüt ist noch viel mehr als eine Verbeugung vor – wir gestehen – einer der wahrlich schönsten Städte der Welt.

Mayas Leben könnte nicht besser sein: tolle Wohnung mit begehbarem Kleiderschrank, Schuhe, wohin das Auge blickt, Schmusekätzchen Diva, das nach anstrengenden Tagen wartet, wenn Frauchen vom Job als Modedesignerin heimkommt. Alles perfekt? Fast, denn Maya ist irgendwie allein. Den letzten Freund hatte sie mit Brandon Lopez – in der sechsten Klasse! Ihre Freundinnen, nun ja, sind eigentlich nicht mehr als eine Bande oberflächlicher, intriganter und vertratschter Zicken – Küßchen hier, Küßchen da. Und Familie? Die hat sie ewig nicht gesehen, sie lebt in Marokko, Maya hingegen seit 20 Jahren in Paris. So wäre es auch irgendwie weitergegangen, würde der Streifenpolizist auf Mayas Charme und Klimperwimpern reinfallen. Tut er aber nicht, und so kommt raus, daß ihre Aufenthaltsgenehmigung längst abgelaufen ist. Die zahlreichen Anrufe ihrer Oma braucht sie nun nicht mehr abwürgen, denn schon sitzt sie im Flieger auf unfreiwilliger Heimreise.

Das ist frisch, mit Tempo und zu Beginn mit Klamauk erzählt, die Hauptfigur ist ordentlich von der Rolle. Dann kriegt die Geschichte einer Abschiebung, einer unfreiwilligen Entwurzelung die notwendige Prise Gefühl. Denn auch wenn es teils brüllkomisch ist, als Maya kurz nach der Landung im Wagen eines zahnlosen Taxifahrers sitzt, Huhn auf dem Schoß inklusive, rührt es doch an, wenn Oma die verloren geglaubte Enkelin umarmt, der Bruder seine Schwester willkommen heißt, und man mehr erfährt vom Disput zwischen Vater und abtrünniger Tochter. Alte Wunden, neue Vorwürfe, Defizite an beiden Fronten – die Voraussetzungen für eine Annäherung sind nicht die besten, und Kherici, die auch in der Hauptrolle brilliert, tat gut daran, die ernsten Hintergründe mit dem notwendigen Humor zu würzen und Mayas neuerliches Heimatgefühl als die Zähmung einer Widerspenstigen zu zeichnen. Denn zumindest anfangs hat die Schöne nur ein Ziel: Bloß schnell wieder weg hier!

PARIS UM JEDEN PREIS erzählt albern, komisch und emotional davon, daß man seine Wurzel kaum verleugnen kann und Tunnelblick schon immer blöd war, weil er ohnehin oft Schönes verdeckt, daß eine Quadtour durch die Wüste mehr wert ist als die neuesten Louboutins, und daß woanders die Menschen auch anders lächeln. Die Erzählung von der schwierigen Anpassung, dem Verzeihen alter Fehler ist ein wunderbarer Kontrast zum gewährten Einblick in den hektischen Modezirkus. Da dachte man schon, beim Film ginge es rund, doch das ist nix dagegen – eine einzige Meute von Despoten und Speichelleckern, von Arschlöchern und solchen, die reinkriechen!

Letztendlich stellt der Film die übergroße, existenzielle Frage, worum es im Leben eigentlich geht. Das beantwortet Kherici nicht didaktisch, sie zeigt behutsam und augenzwinkernd, wie es laufen könnte. Man sieht Maya gemeinsam mit ihrer Oma an einem Kleid nähen, das unbedingt in ein wichtiges Defilée von Mayas exaltiertem Chef gemogelt werden muß. Und genau diese Bilder brennen sich ein, weswegen man auch innig bangt, als Maya sich schließlich wieder nach Paris aufmacht, daß sie ihre Oma nicht zum letzten Mal gesehen hat.

Originaltitel: PARIS À TOUT PRIX

F 2013, 97 min
FSK 0
Verleih: Polyband

Genre: Komödie

Darsteller: Reem Kherici, Stéphane Rousseau, Salim Kechiouche

Regie: Reem Kherici

Kinostart: 22.05.14

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.