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Es waren mal zwei Königskinder?

Einst sang Georgette Dee, die tragikomische Chansonnière mit Hang zur zwischenmenschlichen Entlarvung: "Man lebt in einer großen Stadt und ist doch so allein." Ein Satz, welcher beispielsweise auch für Christina gelten könnte. Die junge Frau führt in Santiago de Chile ein unauffälliges, irgendwie übersehenes Leben zwischen städtischen Streifzügen, der aufopferungsvollen Pflege eines kranken alten Ungarn und Entspannung am Spielautomaten. Neulich hat ihr Freund, dem sie kaum mehr als halbherzig verbunden ist, gesagt: "Du bist ein seltsames Mädchen." Christina selbst konnte das nicht abstreiten, sondern nur traurig erwidern, daß sie keiner kennt.

Derweil leidet Tristán unter der Trennung von seiner Partnerin. Zu wenig änderungswillig sei er, zu negativ. "Du bist seltsam" waren ihre Worte. Der Schmerz reißt Wunden, läßt Tristán ruhelos durch Santiago streifen, schließlich verfolgt er die Ex gar auf allen Wegen. Und bemerkt dabei nicht, daß Christina, mittlerweile im Besitz seiner Papiere, wiederum ihn beobachtet, ihm nachstellt, Zaungast seines Lebens wird ...

Eine ungewöhnliche Geschichte, mit leiser Poesie und wunderbarer Leichtigkeit erzählt. Eine melancholische Reise durch menschliches Brachland und seelische Stromschnellen, welche trotz angenehm realistischer Färbung nicht nur in entsprechenden Einsprengseln ihren märchenhaften Ton kaum verleugnet. Ein teils extrem stilles, dann wieder sehr gesprächiges Werk, dessen Dialoge allerdings fast schon unwichtig scheinen, weil Stimmungen, nonverbale Kommunikation und die grandiose Bildsprache viel mehr sagen. Mittendrin zwei Menschen, vielleicht füreinander bestimmt, einander eventuell aber auch bloß aufgrund individueller Andersartigkeit, ihrer von der jeweiligen Umwelt attestierten "Seltsamkeit", verbunden. Eine gelungene Studie der Liebe und des Lebens.

Ach ja: Die Protagonistin im eingangs erwähnten Dee-Lied ist nach einem Intermezzo mit ihrem nominellen Traummann zum Schluß wieder "sooo allein." Was Christina und Tristán schließlich erwartet? Etwas sei bereits verraten: ein schönes, aufrichtiges, trauriges und zugleich optimistisches Finale, das lohnt, im Kino erlebt zu werden.

Originaltitel: PLAY

Argentinien/Chile/F 2005, 105 min
Verleih: Kairos

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Viviana Herrera, Andres Ulloa, Aline Küppenheim, Coca Guazzini, Jorge Alis

Stab:
Regie: Alicia Scherson
Drehbuch: Alicia Scherson

Kinostart: 19.07.07

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...