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Polly Blue Eyes

Weiblich, blauäugig, jung sucht Platz im Leben

Uiuiui! Da hatte sich der sonst verstärkt im TV-Bereich tätige Regisseur Tomy Wigand allerhand vorgenommen und wollte beweisen, daß auch deutsche Produktionen Grenzen sprengen können. Hier etwas Action, dort einige Thriller-Elemente, gewürzt mit humoristischen oder dramatischen Einlagen und ganz viel Gefühl. Eine teutonische Liebes-Pulp-Komödie sozusagen.

Dafür verfrachtet er seine Protagonistin Polly zunächst mal in den Knast. Als sie entlassen wird, startet ihre Zellengenossin einen Suizidversuch, doch das regelt sich alles schnell wieder. Unsere Heldin findet einen Job und verliebt sich in den Polizisten Stefan. Dumm bloß, wie endgültig Pollys kleinkriminelle Familie jegliche Zukunftsplanung verdirbt – fällt sie doch auf den windigen Ronny und dessen krumme Geschäfte herein. Nur etwas Startkapital fehlt zum dicken Reibach, aber Ronny weiß Rat: Ein Überfall soll’s richten. Dabei hatte sich Polly geschworen, niemals wieder ein Gefängnis von innen zu sehen!

Zugegeben, das klingt irgendwo recht originell. Nur leider bringt es der intendierte cineastische Cocktail bloß zum Genre-Bastard, weil Wigand nicht weiß, wie er alles zueinander passend auf eine Filmrolle bekommt. Also wird einfach fröhlich drauflos inszeniert, stets im Bemühen, krampfhaft anders zu sein. Da verärgern uralte Gags à la blöde Vorstadt-Monroe, hält die Kamera voll auf pseudo-coole Details (schon schick: ein mordsmäßiger Speichelfaden beim Küssen), darf Polly durch ihre Altklugheit Antipathie aufbauen, und mündet das Ganze im metaphysischen Finale. Wow!

Auch darstellerisch bleiben viele Wünsche offen: Obwohl Profis wie Meret Becker als dümmlich-besorgte Mutter und Ulrich Noethen in der Rolle des zum Verbrechen nicht geborenen Vaters wahre Kabinettstückchen abliefern, ist ihre Leinwandzeit auf ein Minimum beschränkt. Dem Jungvolk gehört die große Bühne, welche Susanne "Polly" Bormann tatsächlich ganz gut nutzt. Matthias Schweighöfer hingegen beweist erneut, wie wenig authentisch er Charaktere zum Leinwand-Leben erweckt: enthusiastisch, überzogen, nervtötend.

Fazit: Vielleicht hätte aus POLLY BLUE EYES doch was einigermaßen Gelungenes werden können. Allerdings nur mit Robert Stadlober als Ronny ...

D 2004, 101 min
Verleih: NFP

Genre: Gangster, Tragikomödie, Thriller

Darsteller: Susanne Bormann, Matthias Schweighöfer, Meret Becker, Ulrich Noethen, Sebastian Ströbel

Regie: Tomy Wigand

Kinostart: 03.11.05

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...