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Rebellen der Weisheit

Trauer, Hoffnungshymne und Pamphlet

Brad Will war ein Filmemacher und Friedensaktivist. Zu Beginn von REBELLEN DER WEISHEIT sieht man Aufnahmen, die er 2006 im mexikanischen Oaxaca drehte, als Polizei und Paramilitärs brutal gegen Demonstranten vorgingen. Man sieht Menschen, die durch die Straßen marschieren, martialisch uniformierte Staatsmacht, Krankenwagen, Tränengasnebel. Dann fallen Schüsse, Panik bricht aus, die Kamera stürzt zu Boden. Eine Kugel hat Brad Will getroffen. Tödlich.

Auch Velcrow Ripper ist Filmemacher und Friedensaktivist. Brad Will war ein Freund von ihm, und somit kann man REBELLEN DER WEISHEIT gut und gerne als ein Requiem in Form eines Pamphlets sehen. Als Schmerzgesang samt kämpferischer Hoffnungshymne. Als eine Arbeit des ganz persönlichen Blickwinkels also. Nur will Ripper mehr. Subjektivität reicht nicht aus für das, was es zu verkünden gibt. Tiefe, allgemeingültige Wahrheiten nämlich.

REBELLEN DER WEISHEIT schwebt hinauf in den Hohezustand einer Meditation über das Elend der Welt, und wie man dieses beseitigen könne. Der Film wird zur Predigt, reist durch die Geschichte (hin zu Gandhi und Martin Luther King etwa) und durch die Welt (zu Protestaktionen, Peace-Meetings, einschlägigen Festivals). Alice Walker, Desmond Tutu, der buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh oder die Öko-Aktivistin Julia Butterfly Hill, die 738 Tage auf einem Mammutbaum zubrachte, um diesen vor der Abholzung zu retten, werden als Zeugen für die Wirksamkeit jenes Heilmittels zitiert, das Rettung bringen soll: Geist und Tat müssen ein energetisches Ganzes werden, Spiritualismus und Aktivismus als Synthese –darin liegt das wahre Prinzip Hoffnung.

Von dem nun künden hier durchaus eindrucksvolle Statements und nicht selten auch ergreifende Bilder. Doch wie immer, wenn subjektive Wahrnehmung und Erkenntnis objektiviert werden sollen, sich ins Prinzipielle kehrend zum Kampfprogramm, gar zum Glaubensdogma gerät, entstehen Schieflagen. Der Grundwiderspruch: Wenn, wie hier, die Synthese Spiritualität plus Aktion in Latenz positiv konnotiert wird, klammert das aus, daß auch, um nur ein Beispiel zu nehmen, den islamischen Gotteskrieger diese Synthese antreibt.

Der vehemente Rückzug auf die Position des Pazifismus, die REBELLEN DER WEISHEIT propagiert, mag darauf eine so aufrichtige wie sympathische Reaktion sein, löst den Widerspruch aber keinesfalls. Und die Probleme der Welt wohl auch nicht.

Originaltitel: FIERCE LIGHT: WHEN SPIRIT MEETS ACTION

Kanada 2008, 97 min
FSK 12
Verleih: Tao

Genre: Dokumentation, Polit

Regie: Velcrow Ripper

Kinostart: 04.10.12

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.