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Reine Geschmacksache

... damit kann man sich immer rausreden

Ja, der deutsche Humor ist einer der Gefürchtetsten, auch weil keineswegs zu garantieren ist, daß man beim Wahrnehmen desselben entsprechend lachen kann. Nun diesem vorliegenden, dabei ganz ordentlich produzierten Langfilmdebüt Bierernst vorzuwerfen, wäre zu weit gegriffen, daß die Komödie zum zweifelsfreien Lachen gereicht, kann man leider auch nicht meinen. Das liegt schon daran, daß die Qualität der Scherzle eine doch recht dürre ist.

Bei den Nummerschildern geht’s schon los. Und so trägt der neue Benz von Wolfi, seines Zeichens Handelsvertreter für Damenwäsche, als Kennzeichen JWD. Ja, da darf man schon mal schmunzeln ... Muß man aber nicht, weil der Rest der Provinzgeschichte zwar durchaus Potential gehabt hätte, Jungfilmer Ingo Rasper sich aber an das Aneinanderreihungsprinzip eines Bürgerschwanks gehalten hat. Was schade ist, aber Rasper war wohl selbst unsicher: wollte er die Geschichte erzählen, vom Sohn, der seinem nun führerscheinfreien Vater beim Geschäft unter die Arme greifen muß, oder liebäugelte er doch lieber mit der klassischen Coming-Out-Story des 18jährigen Buben Karsten?

Die erste Idee hätte er ausspielen sollen, gerade mit einem so herrlich aufgelegten Duett aus Edgar Selge und Florian Bartholomäi. Die zweite hätte bestenfalls Randnotiz bleiben dürfen. Genau dann wäre auch Platz gewesen für Raspers dritten Erzählstrang: dem von der enttäuschten Gattin, vom Schuldenberg, vom Druck, dem so ein fliegender Händler tagtäglich ausgeliefert ist. Dann wäre die Geschichte glaubwürdiger und im besten Fall tragikomisch geworden. Doch man erdachte sich nur einen flotten Konkurrenten Wolfis, der dann auch noch mit Karsten anbändeln muß.

Komischsein ist also schwer in diesen Tagen, wirklich komisch zu erzählen noch immer der Meisterbrief eines jeden Filmemachers. Manchmal stellt sich Humor über ein gewisses regionales Kolorit ein, doch auch hier ist Rasper mit sich uneins: die Nummernschilder teilweise aus dem Norden, die Sprache bisweilen bayrisch-derb, die in einer Szene gelesene Zeitung aus München, und die Gegend badem-württembergische Gelassenheit ausstrahlend.

Allenfalls "Nett" kommt einem in den Sinn. Und doch weiß noch jeder, wessen kleine Schwester dieses "Nett" sein kann. Aber wenigstens damit räumt der wunderbare Selge als Wolfi im Brüllanfall auf: "Scheiß Boutiquefotzen!" Ist doch mal ne Ansage ...

D 2007, 100 min
Verleih: Filmlichter

Genre: Komödie, Erwachsenwerden, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Edgar Selge, Florian Bartholomäi, Roman Knizka, Franziska Walser, Irm Hermann, Jessica Schwarz, Horst Krause

Regie: Ingo Rasper

Kinostart: 09.08.07

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.