Österreich/D 2023, 109 min
FSK 12
Verleih: Pandora

Genre: Drama, Musik

Darsteller: Voodoo Jürgens, Ben Winkler, Agnes Hausmann, Clemens Aap Lindenberg

Regie: Adrian Goiginger

Kinostart: 01.02.24

3 Bewertungen

Rickerl – Musik is höchstens a Hobby

Ohne falsche Töne

Natürlich wird bei Aki Kaurismäki viel weniger gesprochen, aber Sympathie für Alltagstypen sowie Tonalität und Sensibilität einer tragischen Komödie sind beim Österreicher Adrian Goiginger ähnlich stark ausgeprägt. So ist RICKERL kein Poser, sondern ein Loser. Mit ihm geht es hinein in die kopiergeschützten Wirtshäuser der Wiener Arbeiterviertel, es geht ums Ganze, also das Herz. Viel zu selten wurde zuletzt im deutschsprachigen Film derart heftig von der Basis aus an die Pumpe gegrapscht.

„Was soll ich noch mit Ihnen machen, Herr Bohacek!“ Die Frau vom Arbeitsamt ist von Dienst wegen genervt. Da hatte sie ihm einen so tollen Job auf dem Friedhof vermittelt, nur nicht geahnt, daß der Erich beim Exhumieren eigene Ideen entwickelt. Vorm Rausschmiß gab es im Bestattungsbüro noch mit „Weh au Weh“ den ersten traurig-edlen Song vom struppig-schmalen Mann, der sich als Liedermacher Rickerl nennt und Dialektzeilen textet wie „Musik is höchstens a Hobby.“ In echt hat Voodoo Jürgens sie geschrieben, auch das ist natürlich ein Künstlername. Der 40jährige spielt die Hauptrolle und irgendwie sich selbst, direkt der fulminanten Traditionslinie österreichischer Sängertexter wie Ludwig Hirsch oder Wolfgang Ambros enthüpft und in Tagen, bevor der Beifall heftiger wurde, selbst sehr oft am Boden zerstört und aufgestanden.

Rickerl kann sich gar nichts leisten, große Sprünge als Kleingeldkünstler sowieso nicht, doch eigentlich auch keine Verantwortungsdefizite, denn er hat einen 6jährigen Sohn aus der Beziehung mit Viki, die sich inzwischen von einem deutschen Piefke in Wiens noblen Speckgürtel holen ließ, weil es der Junge mal besser haben soll, ohne präzise zu wissen, was besser bedeutet.

Vater und Steppke sind jetzt schon enger, als es Erich je mit seinem Erzeuger war. Sie sind im Besuchskorridor ein Gespann, musizieren, spielen im Hof Rapid Wien gegen Argentinien, ziehen durch Stammkneipen, mit Feuerschwertern raus an den See und hin zu Papas Plattenboß. Falls es denn endlich eine erste Platte geben sollte. Die Hoffnung lebt auch ohne Vorschuß, weil dem Rickerl die losen Lyrics im Gitarrenkoffer wichtiger sein werden als die Gitarre selbst.

Keine falschen Töne gibt es hier, erst recht, weil nicht synchronisiert, sondern untertitelt wurde. Dafür wird geraucht, als gäbe es kein Morgen, nur das Gestern. Es riecht nach Meisterstück.

[ Andreas Körner ]